Ulis Culinaria

Rungis

Le Marché International de Rungis, Tor zur Welt der Genüsse

Bis in die Mitte des 20.Jhs. war der Ort wenige Kilometer südlich der Stadtgrenzen von Paris ein beschaulich-ländlicher Flecken.

Erst durch die Ausweitung des Flughafens von Orly in der direkten Nachbarschaft und besonders nach der Schaffung des neuen Marché international de Rungis gewann die etwa fünfeinhalb Tausend Einwohner zählende Gemeinde an überregionaler Bedeutung. Der Markt ist einer von 22 französischen Marchés d’intérêt national (MIN), agiert also im nationalen Interesse Frankreichs.

Der im März 1969 eröffnete Großmarkt ersetzte die alten →Halles de Paris, die aufgrund der innerstädtischen Enge in der Hauptstadt abgerissen wurden. Auf einer Fläche von 232ha, davon fast ein Drittel überdacht, wird auf dem weltweit größten Markt für Frischeprodukte vor allem in den Nachtstunden alles gehandelt, was in irgendeinem Restaurant irgendwo in Europa auf dem Herd oder dem Tisch des Gastes landen könnte.

Wie die seinerzeit von  Victor Baltard entworfenen alten Markthallen im Zentrum von Paris bezeichnet man auch die ungleich größeren neuen Gebäude in Rungis als pavillons.

Obst und Gemüse

Allein der Pavillon de la marée bedeckt mit 215m Länge die Fläche von rund 4 Fußballfeldern und bietet vorrangig zwischen 3 und 7 Uhr morgens alles, was Flüsse, Seen und Meere an Essbarem hergeben.

Fisch und Meeresfrüchte

In den Fleischhallen hängt der Himmel wahrhaftig voller Rinder- und Schweinehälften. Im größten Pavillon, dem für Gemüse und Früchte, erscheint dem Laien das Angebot einfach unüberschaubar.

Besonders vor kulinarisch relevanten Festtagen wie z.B. am Jahresende verwandelt sich der Markt mit rund zwanzigtausend Käufern und Verkäufern pro Nacht in ein schier rauschhaftes Gewirr, das ohne die ausgeklügelte Logistik, die hinter den Kulissen agiert, im Chaos versinken würde. Über den benachbarten Flugplatz von Orly werden kulinarische Genüsse aus aller Welt eingeflogen, ein eigener Güterbahnhof auf dem Marktgelände versorgt die rund 1.500 Großhändler mit Waren aus Frankreich und anderen europäischen Ländern. Daneben bringt eine Armada von Lastwagen unaufhörlich frische Lebensmittel auf das Gelände. Für viele aus anderen Teilen der Welt importierte Güter ist Rungis die erste Anlaufstation, von der aus sie ihren Weg zum Endverbraucher antreten. Deshalb sind manche Preise, die hier festgelegt werden, Richtwerte für den gesamten europäischen Lebensmittelhandel.

Makteigene Labordienste überwachen Frische und Hygiene des Angebots. Ebenso wichtig wie die Feuerwehr sind die Kältetechniker, die beim kleinsten Defekt in Windeseile dafür sorgen, dass die Kühlketten nicht unterbrochen werden. Allein mit den Abfällen (Verpackungen usw.) deckt der Markt in einer eigenen Verbrennungsanlage und mit Fernwärmetechnologie seinen eigenen Bedarf an Heizenergie und den des Flughafens Orly dazu.

Wenn in den frühen Morgenstunden das Hauptgeschäft abebbt, treten, wie früher schon in den halles, die casseurs (Preisbrecher) auf den Plan, auch requins (Haie) genannte Händler, die zu Schnäppchenpreisen die (meist etwas minderwertigeren) übriggebliebenen Waren ergattern wollen. Ein Großteil der nicht verkauften Lebensmittel wird allerdings an caritative Organisationen weitergegeben.

Le Repas gastronomique des Français: UNESCO-Kulturerbe der Menschheit

2010 wurde die französische Gastronomie, le repas gastronomique des Français, in die UNESCO-Liste Immaterielles Kulturerbe der Menschheit aufgenommen. Damit wird die in Jahrhunderten entwickelte Kunst des Bewirtens, des Essens und Trinkens gewürdigt, die sich in der Präsentation mehrerer Gänge vom Apéritif über Entrée, Fleisch- oder Fischgang mit Beilagen bis zur Käseauswahl, dem süßen Dessert und schließlich dem Digestif zeigt. Dass sämtliche Zutaten sowie die begleitenden Weine und andere Getränke von ausgesuchter Qualität und aufeinander abgestimmt sind und dass das gastronomische Mahl in gepflegtem Ambiente durch geschulten Service und an schön gedeckten Tischen dargeboten wird, setzt die UNESCO voraus.

Aus dieser Ehrung wurde in Frankreich das Projekt der Cité Internationale de la Gastronomie entwickelt.

Vier Städte wurden zum Internationalen Zentrum der Gastronomie gekürt: →Dijon, →Lyon, →Tours und, wegen des ernährungsrelevanten Zusammenspiels von Hauptstadtregion und Großmarkt, Paris-Rungis. Jede dieser Städte wird ab 2018 einen speziellen Aspekt der französischen Bewirtungskultur präsentieren. So soll 2024 in einer neben dem Großmarkt von Rungis errichteten Cité die Bedeutung des Lebensmittelhandels und seiner Entwicklung für die Ernährung der Bevölkerung, vor allem in den urbanen Ballungsgebieten, beleuchtet werden.

Natürlich wird das Großprojekt vor allem in den ausgewählten Städten begrüßt. Wegen der Nichtberücksichtigung anderer Städte und wegen der enormen Kosten gibt es aber in der französischen Öffentlichkeit auch durchaus kritische Stimmen.

1978 gründete der Bonner Gastwirt Karl-Heinz Wolf in Meckenheim ein Unternehmen zur Versorgung der deutschen Gastronomie mit besonderen Lebensmitteln. Da er zu Beginn seine Waren hauptsächlich aus dem neuen Markt in Rungis bezog, nannte er seine Firma RUNGIS express. Trotz zwischenzeitlicher wirtschaftlicher Turbulenzen und mehreren Wechseln in der Geschäftsführung gilt der Feinkost-Großhändler bei anspruchsvollen Köchen immer noch als Garant für die rasche Lieferung frischer Spezialitäten aus aller Welt.