Nach dem bretonischen Städtchen am westfranzösischen Ende der Erde (Département Finistère) ist die
Oignon rosé de Roscoff
benannt, eine seit 2013 →AOP-geschützte Sorte der Zwiebel Allium cepa mit kupferroter Außenhaut und leicht rosa-violettem Schimmer zwischen den Schichten des Fruchtfleisches.
Oignon rosé de Roscoff
Ein Kapuziner-Mönch aus Roscoff brachte im 17.Jh. die ersten Exemplare dieser Sorte von einer Pilgerreise nach Portugal mit. Schnell stellte sich heraus, dass sie auch im – verglichen mit Portugal – doch recht rauen Klima der Bretagne gut gediehen. Die Bauern von Roscoff lernten von den Mönchen die Geheimnisse des Anbaus, und die Zwiebeln wurden zu einem wichtigen Faktor für den Lebensunterhalt.
In der ersten Hälfte des 19.Jhs. begannen die Zwiebelbauern, ihr Gemüse mit Segelbooten über den Ärmelkanal nach England zu exportieren. Von der Bretagne in die Grande-Bretagne. In dicken Bündeln trugen sie dort die Zwiebeln auf ihren Schultern, später wurden Fahrrad und Karren beliebte Transportmittel.
Der in der Bretagne geläufige Name Yann (Johannes) wurde bei den Engländern zum Gruppensynonym für die Zwiebelhändler, indem sie diese mit der englischen Verkleinerungsform Johnnie ansprachen. Diese Tradition hat sich bis nach dem 2. Weltkrieg in Südengland gehalten.
Das →syndicat, das über die Einhaltung der AOP-Standards wacht, hat seinen Sitz im benachbarten Saint-Pol-de-Léon, mit dem Namen Roscoff bleiben die Zwiebeln aber verbunden wegen des dortigen Hafens, von dem aus die Johnnies einst mit ihrem scharfen Gut zur britischen Insel aufbrachen. Und die Erinnerung an diese Zeiten wird von der ehrwürdigen Confrérie de l’Oignon de Roscoff bewahrt.
Fête de l'Oignon de Roscoff
Ein altes Bauernhaus hat man zur Maison des Johnnies et de l’Oignon de Roscoff umfunktioniert, einem kleinen Museum, das die Geschichte der Johnnies und ihrer Zwiebeln veranschaulicht.
Und jedes Jahr kommen Gäste von weit her, wenn im August die Fête de l’Oignon de Roscoff steigt. Mit einem bunten Festprogramm, aber vor allem mit kulinarischen Beweisen für das, was das süßlich-scharfe roséfarbene Zwiebelchen in der Küche so alles kann …!
Das Albatros, ein Bistrot am Hafen, ist legendär wegen seiner unzähligen Variationen aromatisierter Rum-Cocktails, darunter tatsächlich auch
Rhum à l’oignon rosé de Roscoff!
Artichaut Cardinal de Roscoff
Die Zwiebeln vertragen sich in der Küche gut mit einer Artischockensorte, auf die die Roscovites ebenfalls stolz sind.
Die Ränder der einzelnen Blättchen der Distelblüten-Köpfe sind purpurfarben wie das Gewand eines Kirchenfürsten. Deshalb nennt man das feine Gemüse Artichaut Cardinal de Roscoff.
Wenn Franzosen einen herzensguten Menschen charakterisieren, sagen sie zuweilen,
il/elle a un cœur d’artichaut,
er/sie besitzt ein Herz wie eine Artischocke.
Das Herz oder, kulinarisch ausgedrückt, der fleischige Boden der Distelblüte verteilt seine gesamte Liebe und Kraft an die vielen Blütenblätter drum herum …!
Und wenn man jemandem, der sich ungebeten einmischt, klar machen will, er solle sich besser um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, bekommt er zu hören: