Ulis Culinaria

Richerenches

Etliche Orte, in deren Umland Trüffel gefunden werden, versuchen, aus diesem kulinarischen Luxusartikel auch touristisch Kapital zu schlagen. Richerenches im französischen Provence-Département Vaucluse tut dies allerdings auf besondere Weise.

 

T r ü f f e l

teuflische Verführung

Jahrhundertelang wurde die Trüffel von der katholischen Kirche als Symbol der Wollust, als champignon du péché (Sündenpilz) verteufelt. Der Grund dafür war, dass der Volksglaube den edlen Pilzen →aphrodisierende Zauberkräfte zusprach.

Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet der seinerzeit in Richerenches amtierende Curé Henri Michel-Reyne 1952 einen jährlichen Gottesdienst zu Ehren des Tuber melanosporum (im Deutschen: Schwarze oder Périgord-Trüffel, →Périgueux) initiierte. Seitdem ist die Ortskirche am 17. Juni, dem Namenstag des Hl.Antonius, der auch von den Trüffelsuchern als ihr Patron verehrt wird, proppenvoll. Der Altar quillt über von erlesensten Exemplaren des Edelpilzes, die nach der Messe aux truffes versteigert werden, wobei ein beträchtlicher Teil des Erlöses caritativen Zwecken zukommt.

champignon du diable

Bereits seit 1921 findet in der Capitale de la truffe provençale, wie sich Richerenches selbst nennt (immerhin stammen rund 80% aller in Frankreich gesammelten schwarzen Trüffel aus der Provence!), von November bis März jeden Samstag ein überregional beachteter Trüffelmarkt, der Marché aux truffes statt. Dort werden die rabasses, so der provençalische Name der Edelknollen, nach geheimnisumwitterten Riten gehandelt, die sich dem Außenstehenden nur schwer erschließen. Insider reden auch, in Abkürzung des botanischen Namens, von mélanos.

diamant de la cuisine

Eine ehrenwerte Bruderschaft, die →Confrérie du diamant noir et de la gastronomie, wacht darüber, dass hierbei alles mit rechten Dingen zugeht.

Denn immer wieder wird versucht, den Käufer mit billigeren Trüffelsorten zu betrügen, beispielsweise mit der bei uns als Wintertrüffel bekannten Tuber brumale, die nur Spezialisten äußerlich von Tuber melanosporum unterscheiden können.

Den preistreibenden Nimbus, der die Trüffel so kostbar werden ließ, hat Alexandre →Dumas, der Schöpfer der Drei Musketiere, bekennender Feinschmecker und Autor des Grand dictionnaire de cuisine (Das Große Wörterbuch der Kochkunst) so beschrieben:

Ihr habt kluge Leute gefragt, was das Geheimnis dieses Pilzes ist. Und nach zweitausendjähriger Diskussion haben sie, wie am ersten Tag, geantwortet: wir wissen es nicht. Dann habt Ihr die Trüffel selbst gefragt, und sie hat geantwortet: esst mich – und preist Gott!

Und er zitiert seinen Vorgänger →Brillat-Savarin, der den Pilz als diamant de la cuisine verehrte.

Wie die Trüffelbruderschaft aus Richerenches!

Trüffelsucher, vierbeinig

1997 kam der Spielfilm Le serre aux truffes in die französischen Kinos. Obwohl die Handlung im nördlich angrenzenden Département Drôme spielt, wurden etliche Szenen in Richerenches gedreht, manche auch im Gewusel des Trüffelmarktes.

Zwei Familien streiten sich seit Generationen um ein abgegrenztes Areal (serre), das wegen seiner alten Eichen für Trüffel berühmt ist. Und, wie einst Romeo und Julia, versuchen der Sohn der einen und die Tochter der anderen Familie, den erbitterten Streit mit ihrer Liebe zu überwinden …

eine Handvoll schwarze Diamanten