Zum Dreikönigstag wird am Tor zur Schwäbischen Alb traditionell die Reutlinger Mutschel gebacken, ein achtzackiger Stern aus Hefeteig mit phantasievollen Verzierungen. Für die eigenwillige Form gibt es verschiedene Deutungen. So sollen die acht abgerundeten Sternzacken die wichtigsten Handwerksberufe in Reutlingen darstellen, die große Wölbung in der Mitte die Achalm, den städtischen Hausberg. Andere sehen in der Mutschel ein Symbol für die Geschenke der drei Weisen aus dem Morgenland zu Jesu Geburt oder den Stern, der sie nach biblischer Überlieferung nach Bethlehem geführt hat. Nach dieser Deutung wäre die Mutschel eine nahe Verwandte des →Dreikönigskuchens.
Seit dem Mittelalter gilt die Mutschel in Reutlingen als Trophäe, die man als Schütze oder, in neuerer Zeit und etwas weniger martialisch, mit dem Würfelbecher erringen kann. Je nach Platzierung variiert dabei die Größe des Backwerks. Bis heute wird die Tradition erhalten als Kneipenspaß am Donnerstag nach dem Dreikönigstag, dem Reutlinger Mutscheltag. Für das gesellige Würfelspiel gibt es zahlreiche Varianten wie Böse Sieben, Langer Entenschiss, Mauseloch, Studentenpasch oder Nacket’s Luisle.
In Süddeutschland ist Mutschler ein weit verbreiteter Familienname, mit frühen schwäbischen Auswanderern kam er auch in die USA und gehört heute noch zu den häufigeren deutschstämmigen Namen im Pennsyvania Dutch. Genealogen leiten ihn als Form von Mutschelbäcker ab. Vielleicht war das auch etwas spöttisch gemeint, denn manche deuten den Begriff Mutschel als Bezeichnung für einen etwas unförmig gekneteten, also der Bäckerehre abträglichen Brotlaib.
Im Mittelhochdeutschen und im Alemannischen bezeichnete das Wort Mutschel (oder Musche, Mützel u.ä.) ein kleines Weißbrot, im Französischen nennt man ein rundes Brot immer noch miche. Als weniger wahrscheinlich gilt, dass umgekehrt das Gebäck nach einem Bäcker namens Mutschler benannt worden sei. Jedenfalls wird die Sternform schon in frühesten Erwähnungen mit der Stadt Reutlingen verbunden.