Ulis Culinaria

Rennes

Die Fédération des Pâtissiers d’Ille-et-Vilaine erkor erst 1999 einen Kuchen aus Mandelteig, Äpfeln und dem Apfelwein cidre zur lokalen Spezialität und taufte ihn

Parlementin de Rennes.

Dies bezieht sich auf die Formgleichheit des Kuchens und der Dächer des Gebäudes, in dem das Parlement de Bretagne tagt. Rennes ist die Hauptstadt der westlichsten französischen Region.

Mit der Benennung verbanden die Konditoren auch einen ironischen Hinweis auf die im 18.Jh. eingeführte Steuer auf den Ausschank von Cidre. Denn das Hauptargument für die Maßnahme war damals die Finanzierung des – doch etwas protzigen – Parlaments-Gebäudes.

le Parlementin de Rennes

außerparlamentarische Konditoren-Kunst

Der Kuchen selbst kommt deutlich bescheidener daher, die Erfinder waren wohl ziemlich von der Cidre-Steuer geschröpft. Er hat, wie die Dächer des Parlamentsgebäudes, die Form eines länglichen Quaders, dessen Seiten leicht nach innen geneigt sind, sodass die abgeschnittenen Scheiben einem Trapez gleichen.

Der Mandelteig schließt eine Lage von Apfelkompott ein, dem reichlich Cidre zugesetzt wurde und der nach und nach den gesamten Kuchen durchzieht.

Manche Bretonen legen Wert darauf, dass die Apfelsorte Reinette d’Armorique verwandt wird. Armorica ist der historische Name der Bretagne.

Parlementin de Rennes (Foto: le daniel)

Die schmalere Oberseite des Quaders wird bedeckt mit einer dünnen Platte aus nougatine. Diese Mischung aus goldgelb karamellisiertem Zucker und gehackten Mandeln (oder Nüssen) nennt man hierzulande Krokant. Dieser bietet einen knusprigen Kontrast zum weichen Kuchen. Angesichts der goldgelben Färbung könnte man den Kuchen auch – statt der schiefergrauen Parlamentsdächer – mit der typischen Form eines Goldbarrens assoziieren.

Bereits längere kulinarische Tradition weist die Pâté rennais auf, eine kräftig gewürzte, grobe Schweinefleischpastete. Etliche Innereien wie Leber, Herz, Lunge und Milz kommen zu dem Schweinehals und Speck, typisch für das Schnittbild der Pastete sind die kleinen Würfelchen der vorgekochten couenne, der Schweineschwarte. Wichtigste Aromenlieferanten sind Knoblauch, Lorbeer und Thymian sowie quatre-épices. Diese gemahlene Vier-Gewürze-Mischung ist schon lange französischer Küchenstandard und besteht klassisch aus weißem Pfeffer, Muskat, Nelken und Ingwer.

Früher wurde die Masse für die Pâté rennais aus den mittelfein gehackten oder gewolften Zutaten weder in einem Teigmantel (pâté!) noch in einer terrine gegart, sondern auf einem Backblech.

Pâté rennais

Damit das weiche Brät nicht auseinanderläuft, wurde es in ein Schweinenetz gehüllt. Das zarte Fettgewebe aus dem Schweinebauch zergeht praktisch während der mehrstündigen Garzeit, hinterlässt jedoch eine schöne goldgelbe Oberfläche. Diese Garzeit verbrachte das Gericht normalerweise im Ofen der nächstgelegenen Bäckerei. 

Heute wird die Pâté meist in einer feuerfesten Form zubereitet, die jedoch immer noch mit dem Schweinenetz, der crépine, ausgekleidet und bedeckt wird.

Nach dem Abkühlen hat die Pastete dank der Gelierkraft von Schwarte und Halsfleisch eine schöne Schnittfestigkeit, ähnlich wie der Schwartenmagen aus deutschen Metzgereien. In Scheiben schmeckt sie zu einem frischen Salat, begleitet von Salzkartoffeln oder galettes, den typisch bretonischen Buchweizen-Pfannkuchen.

Wegen des relativ hohen Aufwandes bereitet fast niemand mehr die Spezialität in der häuslichen Küche zu, aber jeder Metzger in Rennes und der weiteren Umgebung bietet sie in sehr guter Qualität an.

Coucou de Rennes

Der Coucou de Rennes, eine bretonische Hühnerrasse, für die 1914 die offiziellen Standards festgeschrieben wurden, war bereits fast ausgestorben. Durch ehrgeizige Züchter und das Engagement des ecomusée du pays de Rennes sowie von →Slow Food sind die Bestände seit Ende der 1980er Jahre wieder auf über 30.000 Tiere angestiegen. Ihren Namen verdanken die Vögel ihrem kuckucksgrau melierten Gefieder. Sowohl das Fleisch als auch die Eier (die sie ganz brav im eigenen Stall legen…!) werden von Feinschmeckern geschätzt.

Der Coucou de Rennes und das poule de →Janzé, 20km südöstlich von Rennes gezüchtet, gelten als die beiden letzten originär bretonischen Hühnerrassen.

Eine kleine, aber sehr feine Melone aus der →Cantaloup-Sortengruppe hat heute (leider!) nur noch Liebhaberstatus. Der Petit-gris de Rennes wurde früher rund um die Stadt verbreitet angebaut. Es heißt, sie sei vor gut 400 Jahren im Garten des Bischofs von Rennes gezüchtet worden. Zumindest die geringe Größe passt gut zu den zölibatären Ein-Personen-Mahlzeiten eines katholischen Geistlichen. Die kaum mehr als orangegroßen, äußerlich grau-grünen Früchte des Cucumis melo können nur vollreif geerntet ihr unvergleichliches Aroma entfalten. Sie besitzen eine empfindliche, nur wenige Millimeter dünne Schale, weshalb sie vom transportintensiven Großhandel gemieden werden. Nur noch drei Landwirte bewahren ihren Anbau und verkaufen die Ernte vorwiegend an Gastronomen, die ihren Gästen etwas Besonderes bieten möchten.

Petit-gris de Rennes

Der berühmte 3-Sterne-Koch Olivier Roellinger kombinierte in seinem Restaurant in →Cancale in Portwein eingelegte Schnitze des petit-gris mit lauwarmen, pochierten Austern zu einer delikaten Vorspeise.

Während der kurzen Saison im Sommer findet man den Petit Rennais z.B. auch in manchem renommierten Restaurant in Paris. Und Raritäten haben nun mal ihren Preis …

Den kann man sich als Gartenbesitzer sparen: Auch hierzulande bietet der Handel die Samen des Petit Gris an. Und eine bretonische Südfrucht ist kühlere Temperaturen durchaus gewohnt.

Alle diese und unzählige weitere Köstlichkeiten findet man jeden Samstag auf dem zentralen Place des Lices. Dort findet seit 1622 der marché des Lices statt, mit fast 300 Anbietern und mehr als 10.000 Besuchern der drittgrößte Wochenmarkt Frankreichs.

Marché des Lices

Les Halles Martenot

Seit 1870 befindet sich ein Teil der Stände in zwei von Jean-Baptiste Martenot gestalteten, je 1.300m² großen Hallen. Die Gussstahl-Glas-Kombination und die verspielten Formen der Halles Martenot erinnern an die Pavillons, die Victor Baltard wenige Jahre zuvor für die →Halles de Paris erbaut hatte.