Ulis Culinaria

Prato

Ursprünglich als Arme-Leute-Wurst galt die

Mortadella di Prato,

da sie aus Schweinefleischteilen hergestellt wurde, die für die Produktion der finocchiona, einer mit Fenchel (it. finocchio) gewürzten regionalen Wurstspezialität, für nicht gut genug befunden worden waren. Erst in der zweiten Hälfte des 20.Jhs. verfeinerten die Metzger von Prato, in der nördlichen Toscana gelegen, ihre Mortadella derart, dass sie mittlerweile guten überregionalen Ruf genießt und 2016 von der EU als →IGP anerkannt wurde. →Slow Food zählt sie zu den presidi, das italienische Landwirtschaftsministerium zu den →PAT

Mortadella di Prato

die rote Schwester der Bologna

Das feingecutterte Brät besteht zu genau festgelegten Anteilen aus magerem und fettem Schweinefleisch. Im Unterschied zur berühmteren Namensvetterin aus →Bologna wird mit eher orientalischen Spezereien gewürzt wie Koriander, Gewürznelken, Muskatnuss, Muskatblüte (Macis) und Zimt. Knoblauch, schwarzer Pfeffer und Meersalz bilden die geschmackliche Basis.

Eine typische rostrote Färbung rührt von Alchermes, einem Gewürz-Likör aus der Toscana, der mit dem aus Cochenilleschildläusen gewonnenen Farbstoff Karmin (veraltet auch Kermes genannt) versetzt ist (wie z.B. auch Campari oder die biscuits roses aus →Reims). Der Likör verleiht der Wurst außer der Farbe leicht süßlichen Geschmack, der angenehm mit den orientalischen Gewürzen kontrastiert. Im Anschnitt vermisst man zwar die grünen Pünktchen der in Bologna zugefügten Pistazien, aber die charakteristischen weißen Speckwürfelchen glänzen auch in der Mortadella aus Prato.

Sie wird in unterschiedliche Naturdärme abgefüllt, sodass ihre Länge zwischen 10 und 70cm schwankt bei Gewichten von 250g bis zu 2,5kg. Nach dem Brühen erfahren die Würste zum Teil eine längere Trocknung, was ihre Haltbarkeit etwas erhöht und vor allem den Geschmack intensiviert.

Den Cochenille-Farbstoff haben die Metzger aus Prato vielleicht auch von den Textilfärbern übernommen, die in der Region seit altersher ansässig waren. Beide Handwerke profitierten vom Wasserreichtum des Landstrichs, das eine für die Farbbäder, das andere im Interesse einer hygienischen Fleischverarbeitung.

Sedani ripieni alla pratese

gefüllter Staudensellerie

Die Mortadella spielt auch bei der Zubereitung der Sedani ripieni alla pratese mit. Gemeinsam mit Ragout von Kalbfleisch, Eiern, Semmelbröseln und geriebenem parmigiano wird sie zu einer feinen Farce verarbeitet. Knoblauch und Muskatnuss verstärken die typische Würze. Die fleischigen Stiele des Staudensellerie, auf italienisch sedano dolce (bot. Apium graveolens var. dulce im Unterschied zum Knollensellerie Apium graveolens var. rapaceum), werden in ca. 8cm lange Stücke geteilt, längs einseitig aufgeschnitten und blanchiert. Jetzt werden sie vorsichtig so flach

geklopft, dass man sie mit der Hälfte der Farce bestreichen und aufrollen kann. Die Röllchen werden in Mehl und verquirltem Ei gewälzt und in Olivenöl angebraten. Anschließend kommen sie in eine feuerfeste Form und werden zusammen mit der restlichen Füllmasse geschmort. Das so entstehende ragù wird auch manchmal mit anatra (Ente) statt des Kalbfleisches zubereitet. Denn der Fluss Bisenzio mit seinen Zuflüssen bietet nicht nur dem durstigen Sellerie den nötigen Wasserreichtum, sondern lockt auch zahlreiches Wassergeflügel an.

Biscotti di Prato - hart, aber süß

Eine süße toscanische Spezialität ist der vin santo, der heilige Dessertwein, in den mit Vorliebe Biscotti di Prato getunkt werden. Dieses trockene, sehr harte Mandelgebäck ist auch unter dem Namen cantucci oder cantuccini bekannt und kommt meist gemeinsam mit einem makronenähnlichen Gebäck, den bruttiboni, über die Theken der pasticcerie.

Bruttiboni

Wie der Name sagt, werden die biscotti zweimal gebacken. Zuerst als länglicher, brotförmiger Laib, der dann in Scheibchen geschnitten wird. Diese werden im zweiten Ofengang dann so hart, dass zu ihrem Genuss der vin santo erforderlich ist. Hat man keine Lust auf Alkoholisches, tut es auch ein schöner schwarzer espresso.

Die bruttiboni, auch in der Schreibweise bruttibuoni oder brutti ma buoni (wörtl.: hässlich, aber gut) angeboten, gelten als typisches Gebäck aus Prato. Die Makronenmasse aus Eischnee, gemahlenen Mandeln, Zucker und Limettenabrieb wird in unregelmäßig geformten Klümpchen (deswegen brutti) auf Oblaten gesetzt und traditionell ebenfalls zweimal gebacken.

Biscotti und Bruttiboni stehen beide auf der Liste der traditionellen italienischen Lebensmittel (→PAT).

biscotti
bruttiboni

Biskuit, das luftige Backwunder

Der Begriff biscotto hat, wie der vom Französischen biscuit übernommene Name Biskuit, seinen Ursprung im lateinischen bis coctus.

Damit ist ein Gebäck gemeint, das zweimal (bis) gebacken (coctus) wurde. Ursprünglich diente der doppelte Ofengang dazu, das Brot durch Trocknung haltbar zu machen, um es z.B. für Reisende als Proviant nutzen zu können. Klassisches Beispiel ist der Schiffszwieback. Weil er zudem leichter zu verdauen ist, gilt Zwieback bekanntlich als geeignete Brotform für etwas leidende Mägen.

Obwohl die Mischung aus schaumig geschlagenem Eiklar, Mehl, Eigelb und Zucker, die man als vielseitig für allerlei Kuchen und Torten verwendbare Masse herstellt, in aller Regel nur einmal gebacken wird, hat sich in der deutschsprachigen Konditorei hierfür der Name Biskuit eingebürgert. Die allermeisten Tortenrezepte, die mit der Kombination von Backwerk und raffinierten Cremes spielen, basieren auf dem luftigen Backwunder.

Eine der wenigen Varianten, für die eine Biskuitmasse tatsächlich staubtrocken gebacken wird, ist der Löffelbiskuit, auch Katzenzunge (frz. langue-de-chat) genannt. Dafür darf der sich meistens, z.B. als Umrandung einer Charlotte oder in einem tiramisu, wieder mit aromatischer Feuchtigkeit vollsaugen.