Die zur Familie der Karpfen gehörende Schleie (zool. Tinca tinca) liebt ruhige Gewässer.
Diese findet sie offensichtlich in der Hochebene (it. pianalto) rund um das Städtchen in der norditalienischen Provinz Torino (Region Piemonte).
Jedenfalls hat die Tinca Gobba Dorata del Pianalto di Poirino, eine lokale Variante des Fisches, einen solchen Stellenwert, dass ihr Name 2008 mit einem →DOP-Siegel geschützt wurde. Bereits ein Jahr zuvor wurde die Schleie zum europäischen Fisch des Jahres 2007 gekürt.
Viele Feinschmecker ziehen die Schleie aus Poirino ihres festen, weißen und aromatischen Fleisches wegen dem Karpfen vor, der mit seinem höheren Fettanteil zudem manchmal einen als muffig empfundenen Geschmack aufweist. Und schließlich hat die Schleie wesentlich weniger Gräten, für viele ein weiterer Grund, den Karpfen zu meiden. Die Bezeichnung gobba, zu deutsch bucklig, verdankt die Schleie ihrem stark nach oben gewölbten Rücken.
Die Schuppen der Schleie changieren normalerweiise zwischen braunen und olivgrünen Tönen. Bei der hiesigen Variante liegt über dem unscheinbaren Gewand ein goldgelber Schleier, dem sie den Beinamen dorata verdankt.
Der Fisch wird in teils natürlichen, teils aus der Tonerde des pianalto angelegten Teichen (peschiere) gezüchtet, das Wasser liefern Niederschläge und Bäche, die zum Teil aus den nahen Alpen kommen. Die Tonerde verhindert übermäßigen Algenwuchs und Schlammbildung, was den sauberen Geschmack des Fisches, frei von schlammigen oder grasigen Noten, bewirkt. Das Vorkommen von Tinca tinca in den Gewässern der Hochebene von Poirino ist bereits für das späte Pleistozän nachgewiesen. Die heutige Schleienzucht ist somit eine Nutzung uralter natürlicher Ressourcen. Mittelalterlichen Quellen ist zu entnehmen, dass Poirino und Nachbargemeinden zeitweise ihre Steuern mit der Lieferung frischer Schleien an die Obrigkeit entrichteten.
Die Schleie wird gerne als carpione piemontese zubereitet, bei dem der zuvor gebratene Fisch in einer Mischung aus Öl, Wein und Essig mit frischen Kräutern, vor allem Salbei, und Knoblauch mariniert wird. Diese besondere Fischkonserve schmeckt als kalte Vorspeise oder verleiht einer pasta bzw. einem risotto kräftige Würze. Carpione hat im Italienischen zweierlei Bedeutung. Zum einen bezeichnet es die Gardasee-Forelle, obwohl diese als Lachsfisch nicht zur Familie der Karpfenfische (Cyprinus carpio) zählt. Und zweitens wird mit dem Begriff die hier gemeinte Methode bezeichnet, Fisch oder Fleisch in Wein und/oder Essig unter Zugabe von Gemüse, Kräutern und Gewürzen für kürzere Zeit haltbar zu machen.
Die häufigste Zubereitung jedoch ist das einfache Braten des mit Kräutern gefüllten Fisches in gutem Olivenöl, wobei die Haut zur knusprigen Delikatesse wird. Da die Haut der frisch gefangenen Schleie von einer Schleimschicht bedeckt ist, lässt sie sich, wie die Forelle, auch blau zubereiten. Diese Garmethode wird gerne als Blaukochen bezeichnet. Das ist etwas irreführend, da generell Fisch nie gekocht werden sollte. Der möglichst frische Fisch wird ausgenommen und geputzt, ohne dabei die Schleimschicht zu verletzen. Diese färbt sich, auch durch leichte Säure, bläulich, wenn der Fisch in Essig-Gemüse-Sud ganz sanft, also unter dem Siedepunkt pochiert wird.
Zusammen mit dem zweiten für Poirino typischen kulinarischen Produkt, dem Spargel, wird die Schleie jedes Jahr am zweiten Maiwochenende in der Fiera della Tinca e dell’Asparago geehrt. Dieses Fest läutet die bis Oktober dauernde Saison der tinca gobba dorata sowie die Spargelernte ein.