Ulis Culinaria

Plougastel-Daoulas

Im französischen Finistère, dem westlichen Ende der Erde, liegt Frankreichs zweitwichtigste Hafenstadt Brest. Die südlich der Stadt gelegene geschützte Bucht dient quasi als Vorhafen und heißt deshalb rade (Reede) de Brest. Direkt gegenüber der Stadt liegt auf einer Halbinsel Plougastel-Daoulas.

Im Wappen des Städtchens sind zwei Jakobsmuscheln sowie zwei Erdbeeren abgebildet. Die zwei kulinarischen Produkte, coquille St.Jacques und fraise, versinnbildlichen das bretonischsprachige Motto von Plougastel:

War zouar ha war vor

(zu Land und zur See).

war zouar ha war vor

Auf den ersten Blick ist schon erstaunlich, was hier, im manchmal rauhen Küstenklima, so alles gedeiht: allerlei Feldfrüchte, Gemüse und Obstbäume – und eben auch die Erdbeeren! Schon seit Hunderten von Jahren schützen die Bauern, die über die ganze Halbinsel verstreut in kleinen villages leben, ihre Felder mit gezielten Anpflanzungen von Seegras und Hecken vor dem Wind. Die Halbinsel genießt ein relativ mildes Mikroklima. Die Marschlandböden sind äußerst fruchtbar. 

Und dann gibt es ja noch die für die Bretagne typischen calvaires, diese in Stein gehauenen Schilderungen des Lebens und Leidens von Jesus Christus, die dem Land zusätzlich Segen bringen sollen. Ein eindrucksvolles Beispiel aus dem beginnenden 17.Jh. in Plougastel vereint immerhin 181 Personenfiguren!

Calvaire in Plougastel, Spitze

Die Erdbeeren kamen erst im 18.Jh. hierher. Der Marineingenieur Amédée-François Frézier (*) schenkte ein paar aus Chile mitgebrachte Pflänzchen von Fragaria chiloensis dem botanischen Garten von Brest. Für den kommerziellen Anbau bot sich die benachbarte presqu’île de Plougastel geradezu an. Heute werden mehrere Erdbeersorten unter dem Namen

Fraise de Plougastel

vermarktet. Neben Mara des bois, Elsanta, Ciflorette oder Charlotte hat sich die geschmacklich herausragende und kulinarisch vielseitige Gariguette mit Abstand den ersten Platz erobert.

Ein Großteil der Erdbeerpflanzer hat sich in einer Kooperative zusammengeschlossen, die sich ökologische Ziele setzt. So werden beispielsweise statt chemischer Pflanzenschutzmittel gezielt Nutzinsekten angesiedelt, um schädliche Insekten in Schach zu halten.

Obwohl die Fraise de Plougastel (noch?) keinen Namensschutz genießt, ist sie am privaten Herd ebenso beliebt wie in den Küchen →sternegekrönter Restaurants. Im Gault&Millau wird sogar eine Eisdiele der Region mit ihrem Sorbet de fraises de Plougastel aufgeführt.

Jedes Jahr am zweiten Juni-Wochenende lässt sich die kulinarische Vielfalt bei der Fête des Fraises erkunden. Und auf manchem Teller vereint sich das süße rote Früchtchen mit seinem Wappen-Partner, der Jakobsmuschel. Das Rahmenprogramm mit bretonischer Musik und Tanz bindet den Erdbeeranbau in die regionale Kulturtradition ein.

Fraises de Plougastel

Ebenso das →Musée de la Fraise et du Patrimoine (Erdbeer- und Heimat-Museum).

Und die Route des Fraises führt von einer Erdbeerpflanzung zur nächsten. Auf etlichen Feldern kann man selbst pflücken, ein süßes Vergnügen!

(*) nomen est omen: Frézier klingt fast wie fraisier, womit die Erdbeerpflanze bezeichnet wird, aber auch ein Erdbeer-Bauer gemeint sein könnte.