Während die →Teltower Rübchen erst in den letzten Jahren ihre kulinarische Bedeutung für die deutsche Küche zurückerlangten, genossen ihre französischen Schwestern, die navets, seit jeher ununterbrochen hohe Wertschätzung in allen Regionen Frankreichs. Dort gedeihen sie in unterschiedlichsten Formen und Farben: Kugelrund, kegelförmig oder länglich, von fast weiß über elfenbeinfarbig bis rötlich-violett.
Oder eben auch mal etwas dunkler: Die
Navets (noirs) du Pardailhan
wachsen in unmittelbarer Nachbarschaft des für seine Weine berühmten Saint-Chinian im Département Hérault (Region Occitanie). Die länglichen, schwarzhäutigen Rübchen mit ihrem elfenbeinweißen Inneren wurden schon 1803 im Nouveau dictionnaire d’histoire naturelle in einem Atemzug mit denen aus der Umgebung von Berlin als die Besten ihrer Art gerühmt. Das Neue naturhistorische Wörterbuch meinte damit wohl die Teltower Rübchen.
Das Pardailhan, die engere Umgebung des Dorfes, liegt auf einem rund 600m hohen Plateau vierzig Kilometer vom Mittelmeer entfernt. Der ansonsten in der Region verbreitete, aber auf geringeren Höhen praktizierte Anbau von Wein und Oliven ist wegen der auch im Sommer oft niedrigen Temperaturen und hohen Niederschläge hier oben schwierig. Den Rübchen hingegen kommen diese Bedingungen sehr gelegen. Im Spätjahr sind die Felder häufig in dichten Nebel gehüllt, was den Navets bis zur Ernte von November bis Februar offensichtlich gut tut. In Pardailhan sagt man, die Pflanze boit le brouillard par des feuilles, sie trinkt den Nebel mit ihren Blättern.
So entwickeln sie auf den lehmigen kalkreichen Böden optimal ihr nussiges, leicht süßliches Aroma, das nach dem Kochen sowohl bei kalten wie auch warmen Zubereitungen zur Geltung kommt. Als Beilage zu allerlei Gerichten, zu Püree oder Cremesuppe verarbeitet oder in feinen Streifchen im Salat, es bieten sich zahlreiche Kombinationen an.
Eigenen Charakter zeigen die Rübchen auch, wenn sie in fingerdicke Stäbchen geschnitten und wie pommes frites in Fett knusprig ausgebacken werden. Am liebsten nimmt man in Pardailhan hierzu Gänseschmalz. Manche Feinschmecker karamellisieren dabei noch etwas Zucker mit, was das süße Aroma des Gemüses wunderbar ergänzt.
Überregionale Aufmerksamkeit erlangten die Navets aus Pardailhan 1885, als der Gemüsehändler Louis Tronc sie in Dosen konservierte und so zu einem saisonunabhängigen Verkaufsschlager machte. Nach den beiden Weltkriegen geriet das Gemüseknöllchen aufgrund von Landflucht und siechender Landwirtschaft etwas in Vergessenheit. 1993 machten sich etwa 20 engagierte Bauern in Pardailhan und einem Nachbarort daran, den Navets zu neuem Renommée zu verhelfen und gründeten die (im heimischen okzitanischen Dialekt getaufte) Vereinigung Lou Nap dal Pardailha, deren Logo auf dem Etikett die Herkunft der Rübchen garantiert.
Das Ortswappen von Pardailhan ist durchzogen von einem diagonalen goldenen Band, auf dem drei schwarze Navets mit grünen Blättern dargestellt sind. Wie könnte ein Dörfchen mit gerade einmal 180 Einwohnern besser seinen Stolz auf ein ureigenes Produkt ausdrücken!