In deutsch-italienischen Wörterbüchern wird der Beruf des Schweinemetzgers mit norcino übersetzt, was darauf hindeutet, dass die Metzger aus der umbrischen Stadt als wahre Meister ihres Faches gelten. Der Begriff norcineria steht dementsprechend in weiten Teilen Italiens als Synonym für die salumeria, die Wurstmetzgerei (→Fabriano), und zwar sowohl für das Handwerk als solches als auch für den Laden, in dem die Produkte verkauft werden. Vor allem aber steht er für handwerkliche, traditionsbewusste Arbeitsweise.
Der gute Ruf der norcini hat sich überregional etabliert, als Herrscher und Päpste im Mittelalter Metzger aus Norcia nach Rom beriefen, um die höfische Küche mit guten Fleischprodukten zu versorgen.
Die sicher renommierteste Norcineria-Spezialität ist der Prosciutto di Norcia (→IGP 1997), ein Rohschinken von Schweinen, die hauptsächlich mit Eicheln gemästet wurden. Wie alle namhaften Prosciutto-Spezialitäten durchlaufen die Schweinekeulen einen mehrmonatigen Prozess von Salzung, Lagerung und Trocknung, bevor sie mit Brandsiegel und IGP-Etikett in den Verkauf kommen. Obwohl die Umbria, in deren östlichster Ecke Norcia liegt, die einzige küstenlose Region der
italienischen Halbinsel ist, wird auch hier Meersalz als Konservierungsmittel verwendet. Für die Trocknung sorgen die Winde aus den Monti Sibillini, dem bis zu 2.500m hohen Abruzzen-Massiv. Gut zehn Betriebe im Umkreis von wenigen Kilometern um das Stadtzentrum gehören zum →Consorzio di tutela del Prosciutto di Norcia IGP, das die Produktion der Schinken nach den vorgegebenen Richtlinien überwacht und die entsprechende Qualität garantiert.
In einer norcineria kann man z.B. eine Salame nursino (*) erstehen, eine feinkörnige, nur aus magerem Schweinefleisch hergestellte Hartwurst.
Oder einen Norciuscolo, eine feine Streichmettwurst, die hervorragend auf geröstetem Weißbrot als bruschetta mundet.
(*) Eine alte Form des Stadtnamens lautet Nursia. Hier wurde der Heilige Benedikt von Nursia geboren, Gründer des Benediktiner-Ordens.
Das Wort norcino hat im Volksmund allerdings nicht nur positive Bedeutung:
So wie man einen schlechten Chirurgen im Deutschen schon mal als Metzger beschimpft, tut man das Gleiche in Italien mit einem verächtlichen
Mit dem lokalen Vorkommen des Tartufo nero konkurriert Norcia unentwegt (und unentschieden) mit der weißen Edelknolle Tuber magnatum aus →Alba. Trüffel wachsen, wie praktisch alle Waldpilze, in Symbiose mit Bäumen. Je nach Baumart variieren Farbe und Geschmack. In den Wäldern um Norcia, zwischen 500 und 700m Meershöhe, bekommen die schwarzen Knollen mitunter leichte Süße, weshalb man sie auch tartufo dolce nennt. Norcia nimmt für die schwarze Trüffel in Italien eine so wichtige Rolle ein wie das Périgord in Frankreich (→Périgueux). Im Deutschen werden schwarze Trüffel als Périgord-Trüffel zusammengefasst, während man die weiße Schwester generell als Piemont-Trüffel bezeichnet.
Jedenfalls sind die Spaghetti alla norcina mit Knoblauch, Sardellen und frisch darübergehobeltem tartufo nero ein Genuss, der sich vor nichts zu verstecken braucht.
Auf fast 1500m Meereshöhe liegt über Norcia der Ortsteil Castelluccio. Dort, im Parco Nazionale dei Monti Sibillini, wird die Lenticchia di Castelluccio di Norcia →IGP angebaut, eine Linsensorte mit mehreren Farbvarianten in Blüte und Samenkern. Während der Linsenblüte im Frühsommer verwandelt sich die Hochebene in einen bunten Flickenteppich. Der europäische Anbau von Lens culinaris spielt im Weltmaßstab eine unbedeutende Rolle. Dennoch haben sich, wie hier, kleine geografische Nischen erhalten, in denen Linsen mit besonderer Qualität geerntet werden. In Frankreich ist →Le Puy-en-Velay für seine grüne Linsenvarietät berühmt.