Die Engländer haben als frühere Kolonialmacht in Indien einige kulinarische Spezialitäten aus dem Subkontinent mit nach Europa gebracht und mit der eigenen Küchentradition vermengt.
Ein Ergebnis hiervon ist der
Bombay Curry,
der nach dem anglizierten, bis 1996 offiziell gültigen Namen der Hauptstadt des westindischen Bundesstaates Maharashtra bezeichnet wurde. Diese lokale Variante des indischen Nationalgerichtes khari (→Chennai) ist Grundlage für viele Zubereitungen, bevorzugt mit Lammfleisch.
Aber auch mit Rind, Geflügel oder Fisch wird die würzige Sauce kombiniert. Man bekommt im auf Asien spezialisierten Lebensmittelhandel die passende, recht milde und zimtbetonte Gewürzmischung als
Bombay Curry Powder
oder auch die fertige Sauce zu kaufen. Inzwischen steht auch hin und wieder der Name Mumbai anstatt Bombay auf dem Etikett.
In ganz Europa nutzen Gastronomen den guten Ruf des indischen Mahls, indem sie ihr Restaurant Bombay Curry getauft haben.
Bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts war er vor allem bei den Arbeitern in Deutschlands Kohlegruben beliebt: Der Henkelmann.
Dieses blecherne Transportgefäß mit dem namensgebenden Verschluss- und Tragebügel enthielt, auf mehrere Etagen verteilt, eine komplette warme Mahlzeit mit Fleischzubereitung, Sauce, Kartoffeln und Gemüse, die in der Mittagspause am Arbeitsplatz genossen wurde.
In der englischen Industriearbeit nannte man ein vergleichbares Transportgefäß tiffin box, im Französischen gamelle. Damit ist aber eher das Feldgeschirr von Soldaten gemeint.
Heutige Nachfolger sind die in Schulen und am Arbeitsplatz benutzten Lunch-Boxen aus Edelstahl oder Kunststoff, oder, in luxuriöserer Ausführung, edles Picknickgeschirr.
In Mumbai hat sich die einst von den Engländern eingeführte tiffin box zum Objekt eines einzigartigen Transportsystems entwickelt, das wegen seines ausgeklügelten Ablaufs inzwischen die Aufmerksamkeit von Logistik-Fachleuten in aller Welt erregt.
Die Gefäße selbst heißen auf Hindi dabba, und die Menschen, die sie, gefüllt mit fein säuberlich getrennten Bestandteilen einer kompletten warmen Mahlzeit, an ihren mittäglichen Bestimmungsort bringen, nennen sich dabbawallas. Walla ist eine für viele Dienstleister gebräuchliche Berufsbezeichnung, hier könnte man mit Henkelmann-Bringer übersetzen.
Die Reise einer Dabba beginnt häufig in der Wohnung des Kunden, wo die Speisen von der Ehefrau oder einer/m anderen Verwandten zubereitet und auf die einzelnen Etagen des Türmchens verteilt wurde. Mumbai ist eine Riesenstadt, in der Angehörige unterschiedlichster Religionen leben. Mit den damit verbundenen Ansprüchen an komplizierte Kochvorschriften kommen betriebliche Kantinen kaum klar. Durch die häusliche Zubereitung der Mahlzeit ist die Einhaltung von vegetarischen, tierspezifischen und allen weiteren Maßgaben ebenso gewährleistet wie persönliche Geschmacksvorlieben jedes einzelnen Kunden.
Der Weg der wohlgefüllten Dabba von den Wohngebieten in der Vorstadt bis ins Geschäfts- und Verwaltungszentrum kann schon mal 20km oder mehr betragen. Deshalb wird der Transport nicht von einem Dabbawalla allein erledigt. Jede Dabba ist mit einem für Außenstehende unverständlichen Code aus Ziffern und Buchstaben in verschiedenen Farben markiert.
Die Transporttechnik richtet sich nach den Gegebenheiten: Öffentliche Verkehrsmittel, Dutzende Dabbas auf einem auf dem Kopf schwankenden Brettergestell, per Fahrrad oder mit zweirädrigen Karren durch das hupende Verkehrschaos …
Die Dabba wandert nun über mehrere Verteilstationen, bei denen sie jeweils an andere Dabbawallas übergeben wird, bis direkt ins Büro, an den Arbeitsplatz der Kundin oder des Kunden. Und wenige Stunden später wird die leere Dabba wieder abgeholt, zu einer Spülküche gebracht und kommt frisch gereinigt wieder am Ausgangspunkt an, um für den nächsten Tag gefüllt zu werden.
Der Transport von über 200.000 Dabbas durch rund 5.000 Wallas klappt trotz des chaotischen Menschengewirrs von Mumbai so zeit- und zielgenau, dass das amerikanische Forbes Global Magazine dem Mumbai Dabbawalla den Spitzenwert von 1 (einem!) Fehler auf 1 Million potenzielle Fehlerquellen attestiert hat.
Auch wenn Insider das für etwas übertrieben halten, ist die Kundenzufriedenheit so groß, dass das System stetig weiter wächst. Und die Dabbawallas zeigen ihren Stolz nicht nur in der weißen Uniform mit weißem Schiffchen-Käppi. Innerhalb ihrer niedrigen sozialen Schicht gehören sie zu den Großverdienern.
Ihre eigene Dienstleistung dagegen könnten selbst sie sich niemals selber leisten …
Bombay duck verspricht dem Genießer kein Geflügel, sondern einen Vertreter aus der Familie der Eidechsenfische.
Der Harpadon nehereus wird wohl mit Bombay namentlich verknüpft, weil er seit jeher an den Küsten von Maharashtra gefangen wird, wenn er mehrmals im Jahr die Flussmündungen zum Laichen aufsucht. Die zahlreichen nadelspitzen Zähne zeichnen ihn als Raubfisch aus, der vorgeschobene Unterkiefer und der herausgewölbte Bauch machen ihn nicht unbedingt zur Schönheit.
Aber: Er schmeckt! Und ist deshalb auf indischen Esstischen so beliebt wie die Ente.
Für die Bezeichnung duck gibt es verschiedene weitere, aber durchweg spekulative Erklärungen.
Eine bezieht sich immerhin indirekt auf die kulinarische Verwendung des Fisches: Er wird an der Sonne getrocknet und kann dann auch über weitere Strecken in’s Landesinnere transportiert werden. Eine der Eisenbahnlinien, die dafür genutzt wurden, hieß Bombay daak.
Auf jeden Fall ist der Bombay duck, alias bummalo, bomelo oder ähnlich – einen deutschen Namen hat er nicht – ein sehr beliebter Speisefisch. Als getrocknete Ware – quasi →Stockfischs asiatische Version – muss er vor dem Verzehr erst gewässert werden und wird dann gerne fritiert. Auch frisch gefangen kommt sein festes Fleisch in Curry-Gerichten oder in der Pfanne knusprig gebraten gut zur Geltung.