Ulis Culinaria

Moret-sur-Loing

Die Religieuses Bénédictines, die Benediktiner-Nonnen in der Prieuré de Notre Dame des Anges in Moret (Île-de-France), mussten für ihre Gesänge und Gebete bei guter Stimme sein. Um 1638 entdeckten sie, dass Gerste (frz. orge) in gemälzter Form der Kehle wohltut. Sie stellten Stangen aus Zuckersirup unter Beigabe von Gerstenmalz her, die nicht nur den strapazierten Stimmbändern guttaten, sondern auch, durch Verkauf der Süßigkeit außerhalb der Klostermauern, der Ordenskasse. Die Nonnen tauften die Schleckerei

Sucre d’orge de Moret.

Auch Louis XIV und sein Hofstaat in Versailles wussten die süßen Malz-Lutscher aus dem Ort am Rande des Forêt de →Fontainebleau, nahe dem gleichnamigen königlichen Schloss, zu schätzen.

Sucre d'orge de Moret

Nach der Französischen Revolution, das Kloster war zwangsweise geschlossen worden, schlief das Geschäft ein und wurde erst wieder aufgenommen, als eine ehemalige Nonne kurz vor ihrem Tod das Rezept für die orges an eine Freundin weitergab. 1972 übernahm der weltliche Zuckerbäcker Jean Rousseau die Produktion und goß das Malzsirup in kleine Herzförmchen, die als Zierde ein Kreuz trugen und die Buchstaben RM für Religieuses de Moret. Bis heute werden die cognacfarbenen sucres in dieser Form angeboten, außerdem in Stangenform oder als tetraederförmige →berlingots.

Das Maison du sucre d’orge, ein wunderschönes altes Fachwerkhaus, liegt mitten im Ort.

Das Musée du Sucre d’Orge ist in einer alten Mühle auf einer kleinen Insel im Loing untergebracht, direkt neben der alten Brücke. Dort kann man die über 300 Jahre alte Geschichte der Süßigkeit studieren, ein Video zeigt die Herstellung. Und natürlich bekommt man die malzigen Bonbons und Lutscher auch zu kaufen, in hübschen Metalldöschen, die mit historischen Motiven aus Moret bedruckt sind. Nur die genaue Rezeptur bleibt streng geheim!

Musée du Sucre d'Orge
A.Sisley, Le Pont de Moret, 1893

Im 19.Jh. zog es die Maler aus den akademisch verstaubten Ateliers von Paris mehr und mehr hinaus in die damals noch pittoreske Natur des Umlandes von Moret, ein paar Kilometer seineaufwärts in Richtung Fontainebleau. So waren auch die Impressionisten um Pissarro, Monet und Renoir häufig in Moret zu Gast. Ihr Kollege Alfred Sisley siedelte 1880 ganz in das Städtchen um, wo er bis zu seinem Tod 1899 blieb. Sicherlich haben die Künstler, im Freien vor ihrer Staffelei stehend, auch versonnen das eine oder andere sucre d’orge in der Backentasche gelutscht.