Ulis Culinaria

Montpellier

Schon seit dem Mittelalter kennt man angeblich die Grisettes de Montpellier. Die dunkelgrauen, kleinen, linsenförmigen Bonbons (frz. gris = grau) auf Basis von Süßholz und Honig sollen früher den in Montpellier rastenden Pilgern auf dem Jakobsweg nach →Santiago de Compostela als Wechselgeld angeboten worden sein und haben diesen so die beschwerliche Wanderung etwas versüßt. Schon lange sind die gesundheitsfördernden Eigenschaften von réglisse (Süßholz sowie die aus ihm hergestellte Lakritze, →Bamberg) und miel (Honig) bekannt, sodass die Bonbons auch zum Repertoire von Apothekern gehörten, was ihre Pillenform erklärt.

Grisettes de Montpellier

Heute existiert nur noch ein Betrieb, der die Grisettes produziert. Dafür werden sie in hübsche Metalldöschen verpackt, deren Deckel die Abbildung des Château d’eau an der Promenade du Peyrou ziert (Bild oben). Der sechseckige Säulen-Pavillon ist eines der architektonischen Wahrzeichen von Montpellier.

Die Döschen verändern im Laufe der Zeit immer wieder etwas ihr Erscheinungsbild und haben sich zu einem begehrten Sammlerobjekt entwickelt.

Der Begriff grisettes hat im Französischen etliche weitere Bedeutungen:

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Zum einen befindet sich im Süden Montpelliers ein Gewerbegebiet namens Les Grisettes. Vielleicht verdankt das Gelände seinen Namen ja einem erhöhten Vorkommen der Dorngrasmücke. Dieser kleine Singvogel, den Ornithologen Sylvia communis nennen, heißt in Frankreich grisette.

Eine seltene, vom Silvaner abgeleitete Rebsorte wird wegen ihrer grau bemehlten Beeren grisette genannt, ähnlich wie der pinot gris, der auf Deutsch Grauburgunder heißt. Außerdem werden zwei Arten des Dickkopffalters, eines graubraun gescheckten Schmetterlings, als grisette bezeichnet.

Auch ein zwar essbarer, aber nicht besonders schmackhafter Pilz, der in deutschen Fachbüchern Grauer Scheidenstreifling (bot. Amanita vaginata) heißt, wird von französischen Pilzsammlern als grisette identifiziert.

Und schließlich galten als grisettes in Frankreich junge Damen, die sich weder in ihrer Kleidung noch in ihrer Frisur oder durch Schminke auffällig präsentierten, im Deutschen steht hierfür manchmal der Begriff graue Maus. Damit konnte auch eine Frau gemeint sein, die ein von gesellschaftlichen Konventionen unabhängiges Leben führte und die man als das weibliche Pendant des bohémien im 19.Jh. sehen kann. Ihr Leben in künstlerischer Freiheit wird immer noch als ebenso süß und verlockend wie die Bonbons aus Montpellier verklärt. Dazu trug auch manche künstlerische Dartstellung bei. So das Revolutions-Drama Dantons Tod von Georg Büchner, Puccinis Oper La Bohème oder Les Misérables, der große Gesellschaftsroman von Victor Hugo.

J.-B. Descomps, La Grisette 1830 (1909)

Häufig werden die Damen dem Schneiderei- und Modebereich zugeordnet. Zu solchen Arbeiten, die allgemein schlecht bezahlt wurden, gehörte auch der Verkauf von Blumen beim Abklappern von Restaurants. Einem solchen Blumenmädchen hat Jean-Bernard Descomps in Paris ein Denkmal gesetzt. Nicht selten sagte man den Damen nach, sie würden zur Aufbesserung ihres Einkommens auch durchaus sexuelle Gelüste betuchter Herren befriedigen, ohne sich jedoch offen zu prostituieren. Die namentlich wohl bekannteste dieser Figuren ist die Korsettschneiderin Ida Gruget in La Comédie Humaine von Honoré de Balzac. Auf alten Werbeplakaten für die Grisettes de Montpellier sind oft junge Frauen zu sehen, die sehr gut in dieses Bild einer grisette passen.

Zu kalten Fischplatten, aber auch zu Fleisch und Fisch vom Grill reicht man gerne die Beurre de Montpellier, eine mit Sardellen und Kapern sowie Eigelb, Spinat, Cornichons, Knoblauch und Schalotten angereicherte Kräuterbutter. Estragon, Petersilie, Kresse, Schnittlauch und Kerbel gehören auf jeden Fall rein. Die Kräuter, etwa 50g auf 150g Butter, werden mit dem Spinat, den zerdrückten Knoblauchzehen und der kleingehackten Schalotte kurz blanchiert, gut ausgedrückt, mit den Anchovis und dem hartgekochten Eigelb fein püriert und durch ein Haarsieb gestrichen. Kapern und kleine Würfelchen der Cornichons und die Kräutercreme werden mit der zimmerwarmen Butter schaumig verrührt. Pfeffer und (wegen der Anchovis vorsichtig!) Salz runden den Geschmack ab. Die kräftig grüne beurre de Montpellier hält sich im Kühlschrank recht lange.

Durch Zugabe von Olivenöl und/oder rohem Eigelb kann man die Kräuterbutter etwas mehr in Richtung Sauce verändern. Mit Unterstützung von Senf ergibt sich dann schon fast eine →Mayonnaise bzw. Remoulade, die z.B. gut zu Fischgerichten passt.

Beurre de Montpellier