Ulis Culinaria

Meißen

Wiege der europäischen Porzellan-Kunst

Bereits seit dem frühen 7. Jh. wurden in China aus einem irdenen Materialmix Gefäße und Skulpturen gebrannt, die, wenn man sie glasiert hatte, später in Europa nach dem italienischen Wort porcellana für die rosig glänzende, glatte Kaurischnecke Cypraea annulus Porzellan ge-nannt wurden. Eigentlich meint porcellana als Verkleinerungs-form von porco, dem Schwein, ein junges Ferkel (→Ariccia). Wohl wegen ihrer kompakten, rundlichen Form und der Fär-bung wurde die Meeresschnecke genauso getauft.

Meißen mit der Albrechtsburg

J.F.Böttger, Porzellanrelief
Kaurimuschel

Meissener

Porzellan

Als Erfinder des europäischen Porzellans gilt der Alchemist Johann Friedrich Bött-ger, der zu Beginn des 18.Jhs. quasi als Gefangener des sächsischen Kurfürsten August des Starken sein großspuriges Versprechen einlösen sollte, aus billigen mineralischen Substanzen Gold herstellen zu können. Trotz jahrelangen Experimen-tierens gelang Böttger das erhoffte Wun-der natürlich nicht. Aber es entstand stattdessen die heute noch gültige Mischung aus Kaolin, Feldspat und Quarz als Material für reinweiße, wasserdichte und säurefeste Produkte, die nach Bemalung und Glasur-Brand eine glatte, hochglänzende Oberfläche aufwiesen. Diese Eigenschaften und die bei dünnem Scherben typische leichte Transparenz unterscheiden das Porzellan

grundsätzlich von der Keramik bzw. Majolika, wie sie von →Faenza und →Delft aus in Europa Verbreitung fand. Damit war Böttger dem Geheimnis des als Import bekannten chinesischen Porzellans so nahe gekommen wie noch niemand zuvor. Einer der Ersten, die Porzellan aus dem Reich der Mitte nach Europa brachten, dürfte Marco Polo Ende des 13.Jhs. gewesen sein.

Kurfürst August förderte, obwohl natürlich auch er über das Ausbleiben des Goldes enttäuscht war, von Beginn an die Ersatz-Erfindung Böttgers.

1710 patentierte er das Verfahren und gründete die Königlich-Polnische und Kurfürstlich-Sächsische Porzellan-

Manufaktur in Dresden, und noch im gleichen Jahr wurde die Produktion in die Albrechtsburg in Meißen verlegt. Später wurde ein erstes größeres Werk in Meißen eröffnet, das Meissener Porzellan war als Markenname geboren. Im Gegensatz zur offiziellen Schreibweise des Ortsnamens verwenden die Porzellanmacher (als eingetragenes Markenzeichen in Verbindung mit den gekreuzten Schwertern) das ss. Die Schwertermarke steht seit 1731 für die Herkunft des Porzellans aus Meißen und ist eines der ältesten Markenzeichen überhaupt. Die beiden gekreuzten Kur-Schwerter trugen die sächsischen Kurfürsten seit dem 14.Jh. im Wappen als Insignium ihres Rechts, bei der Kür, der Wahl des deutschen Königs mitzustimmen.

Meissener

Porzellan

Die Meissener-Produktion bestand durch-weg sowohl aus dekorativen figürlichen Objekten als auch aus Tafelporzellan. In Formgebung und Dekor orientierte man sich lange Zeit an Barock und Rokoko, was dem Absatz nicht immer förderlich war. Trotzdem hat das Meissener Porzellan alle historischen Wirren überstanden und wird neben später entstandenen Ablegern in Wien, Selb (Rosenthal und Hutschen-reuther), Weiden und Arzberg nach wie vor produziert.

Mitte des 18.Jhs. entstand in Berlin eine zweite bedeutende Porzellan-Produktion, für die man etliche Fachkräfte aus Meißen abgeworben hatte. Unter dem preußischen König Friedrich dem Großen wurde hieraus die Königliche Porzellan-Manufaktur, die unter dem Kürzel KPM und mit einem Zepter als Markenzeichen bis heute mit den Meissener Schwertern konkurriert.

Während Porzellan anfangs noch von ma-nueller Produktion bestimmt und ent-sprechend teuer war, wurde es durch die Entwicklung kostengünstigerer industri-eller Verfahren zu einem Massenartikel, der die europäische Tischkultur nachhaltig geprägt hat.

Nicht zuletzt spielt dabei auch unsere Be-quemlichkeit eine Rolle, denn im Unter-schied zu vielen aus Keramik hergestellten Produkten ist Porzellan spülmaschinen-fest. Zumindest, wenn es sich nicht um handbemalte oder gar mit Gold verzierte kostbare Einzelstücke handelt. Denn die aufwändige künstlerische Fertigung von Hand findet neben der industriellen Pro-duktion nach wie vor statt – und ihre zahlungskräftigen Liebhaber.

Meißner Fummel

Indirekt verdanken wir – sofern wir der Legen-de Glauben schenken – dem Porzellan ein seit 2008 als →g.g.A. unter dem Namen Meißner Fummel geschütztes Backwerk. Kurfürst Au-gust der Starke soll es leid gewesen sein, dass häufig wertvolles Porzellan zu Bruch ging, weil es von betrunkenen Fuhrleuten oder Kurierreitern transportiert wurde. Also ließ er von Meißner Bäckern ein zerbrechliches Gebil-de backen, das die Kutscher mit sich führen und zum Beweis ihrer Nüchternheit jederzeit heil vorweisen können mussten. Dieser wohl früheste Alkoholtest wird aus einem dünn ausgerollten Nudelteig hergestellt, der zu einer Tasche zusammengefaltet und aufge-blasen wird.

gebackener Alkoholtest

Die Hitze des Backofens lässt diesen Ballon zusätzlich an-schwellen, so dünnwandig, durchscheinend und fragil wie das edle Porzellan.

Der Meißner Widder

Ende des 19. Jhs. entstand bei dem Meißener Kaninchenzüchter Leo Reck der wegen seines Fells und seines wohlschmeckenden Fleisches geschätzte Meißner Widder. Diese Kaninchen-rasse steht als gefährdet auf der roten Liste der →GEH. Die Bezeichnung Widder, unter der mehrere Zuchtformen des Kaninchens zusam-mengefasst werden, bezieht sich auf die ge-wölbte Form des Schädels und auf die häng-enden Ohren, die an den Schafbock erinnern.