Ulis Culinaria

Marennes

Seit der Antike spielen im Bassin Marennes Oléron Austern eine bedeutende Rolle. Das Becken wird als relativ geschlossener Meeresbereich begrenzt von der französischen Atlantikküste zwischen der Gironde im Süden und, gut 30km weiter nördlich, der Mündung der Charente, dem namensgebenden Fluss des Départements Charente-Maritime. Den westlichen Beckenrand bildet die Île d’Oléron. Diese Insel sowie die 6000-Einwohner-Gemeinde Marennes auf dem Festland leihen der bedeutendsten ostréiculture (Austernzucht) Frankreichs ihren Namen. Die Huître Marennes Oléron (bei uns als Marennes-Auster im Handel) gilt unter Kennern als eine der besten Sorten der Edelmuschel. Der Name ist seit 2009 als →IGP bei der EU registriert. Zum geschützten Gebiet gehören insgesamt 27 Gemeinden auf Festland und Insel, alle direkt am Bassin gelegen. Zudem erhielten die Huîtres Marennes Oléron die seltene Auszeichnung mit dem →Label Rouge.

Huîtres Marennes Oléron

Die Gallo-Romains betrieben noch keine systematische Austernzucht, die Meeresfrüchte wurden bei Ebbe für den Eigenbedarf auf den Felsen und Sandbänken zwischen Festland und Insel als wild gedeihende Nahrung gesammelt. Erst ab dem 17.Jh. begann man, die marais salants (Salzsümpfe) zur Aufzucht der Schalentiere zu nutzen, die sumpfigen, regelmäßig vom Gezeitenwechsel überfluteten Küstengebiete, die vom Flüsschen Seudre mit Süßwasser versorgt werden. Die damals vorherrschende Spezies aus der Familie der Ostreidae war die Ostrea edulis, wegen ihrer runden, abgeflachten Form als huître plate bezeichnet. Die in den Marais zur Austernzucht angelegten flachen Gewässer werden claires genannt.

Fines de claire

Sie dehnen sich heute auf einer Fläche von rund 3000ha aus. Hier filtern die Muscheln unter anderem die navicule bleue (bot. Haslea ostrearia) aus dem Salz-/Süßwasser-Gemisch, eine auch als marennine bezeichnete Mikroalge, deren Chlorophyll dem Muschelfleisch eine grünliche Färbung verleiht.

Außerdem klärt das Mischwasser der Claires einiges vom Salzgeschmack heraus, wodurch das feine, nussige Aroma besser zur Geltung kommt. Im Handel werden sie deshalb als Fine de Claire oder Fine de Claire Verte angeboten.

Durch den Bau von Eisenbahnen und die dadurch mögliche schnellere Belieferung des französischen Binnenlandes, vor allem der Hauptstadt Paris, erfuhr die Austernzucht ab 1880 kräftigen Aufschwung.

Schon 1868 hatte die Flachauster unerwartete Mitbewohner an der französischen Atlantikküste bekommen (→Arcachon). Ein portugiesischer Segler kenterte damals im Sturm und verlor dabei seine Ladung: Austern der Spezies Crassostrea angulata, die für den englischen Markt bestimmt waren. Diese huître portugaise, wegen der (im Unterschied zur Huître plate) gewölbten oberen Schale auch huître creuse genannt, wurde im Bassin von Marennes-Oléron schnell heimisch.

Welch ein Glücksfall dies für die hiesigen Austernzüchter war, erwies sich, als die ursprüngliche flache Auster 1920 wegen einer Bakterienepidemie drastisch dezimiert wurde. Aber 1970 fielen auch die neuen Muscheln einer derartigen Tierseuche zum Opfer. Nun führte man aus Japan die Magallana bzw. Crassostrea gigas ein, die große, ebenfalls stark gewölbte und als widerstandsfähig geltende huître japonaise oder Japanische Felsenauster.

Um weitere Katastrophen wie den Bakterienbefall abzuwehren, müssen die Austernzüchter enormen Aufwand betreiben. Ein Problem, mit dem Monokulturen, ob tierisch oder pflanzlich, immer zu kämpfen haben.

Als IGP sind vier Qualitäten der Huître Marennes Oléron geschützt:

Fine de Claire und Fine de Claire Verte, beide mit durchschnittlichem, mehr oder weniger grünlich gefärbtem Fleischanteil. 

Fines de claire vertes

La Spéciale de Claire bildet dank längeren Aufenthaltes in den Aufzuchtbecken deutlich mehr Fleisch aus und La Pousse en Claire schließlich, mit nur wenigen Nachbarn auf großer Fläche heranwachsend, gilt dank ihres ausgewogenen Geschmacks und des festen Muskelfleisches als das Spitzenprodukt der Austernzüchter von Marennes.