Ulis Culinaria

Mantova

Der Wasserreichtum der Pianura Padana, der Po-Ebene, war seit jeher für die hier lebenden Menschen mal Segen, mal Fluch. Das fruchtbare Schwemmland mit seinen ebenen, relativ leicht zu bearbeitenden Ackerflächen bescherte so reiche Ernten, dass die Region als Kornkammer und als Obst- und Gemüsegarten Italiens bezeichnet wurde. Aber immer wieder traten der Po und seine Nebenflüsse über die Ufer, vernichteten die Arbeit des Jahres und verwüsteten ganze Dörfer und Städte. In Mantova, das sowohl im lokalen Dialekt als auch im Deutschen Màntua genannt wird, hat man schon im 12.Jh. versucht, diese Gefahren durch umfangreiche Baumaßnahmen einzudämmen. Der Fluss Mincio, der das Wasser des Lago di Garda zum Po transportiert, wurde um die Stadt herum zu drei Seen aufgestaut, die gleichzeitig als Schutz vor feindlichen Angriffen dienten.

mitten im Garten Italiens

In den schon damals angelegten Obstplantagen wird, beurkundet seit 1475, die Birne als Pera mantovana kultiviert.

Heute tragen sechs Sorten des Perus, darunter William, Abate Fetel oder Max Red, den Namen mit dem →IGP-Siegel, sofern sie in einem festumgrenzten Gebiet um Mantova angebaut werden. Gerne werden die saftig-süßen Früchte mit dem prosciutto aus →Parma oder dem parmigiano-reggiano, der regionalen Käsespezialität, kombiniert.

la Pera mantovana

Die Metzger des Ortes verarbeiten grob gehacktes Schweinefleisch und Speck mit grobem Salz, viel Pfeffer sowie ordentlich frischem Knoblauch zur Salame mantovano. Das Brät wird in die unterschiedlichen Teile des Schweinedarms (vom kleinen mariola, dem Blinddarm, über den crespo und den sottogentile bis zum dicken gentile, dem Mastdarm) abgefüllt, weshalb man der salume je nach Gewicht (von 500 bis 3.000g) eine winterliche Reife- bzw. Trockenzeit zwischen drei und sechs Monaten gönnt. Im mild-feuchten Klima der Po-Ebene verleiht ein Edelschimmel der Wurst eine feine weiße Oberfläche. Darunter kommt beim Anschnitt eine kirschrote, weiche Salami mit elfenbeinweiß leuchtenden Speckwürfelchen und intensivem Knoblaucharoma zum Vorschein.

Ausgrabungen haben ergeben, dass schon die Etrusker, die Gründer der Stadt, vor mehr als 2000 Jahren eine der heutigen salame mantovano ähnelnde Wurst hergestellt haben. Die lange Tradition hat ihr zur Anerkennung als →PAT verholfen.

Salame mantovano

pasta ripiena

Paste ripiene, gefüllte Nudeln wie ravioli, tortelli(ni), agnolotti und weitere, haben vor allem in Norditalien eine lange Tradition. Früheste schriftliche Aufzeichnungen stammen aus dem frühen Mittelalter, es gibt aber auch Hinweise, dass schon in der Antike diverse Füllungen in Teigtäschchen verpackt wurden.

Besonders während der katholischen Fastenzeiten hat man gehacktes Fleisch oder ausgedrücktes Wurstbrät in Nudelteig verhüllt, um es vor dem strengen göttlichen Blick zu verbergen.

Im deutschen Schwabenland nennt man die prall mit feinem Hackfleisch gefüllten Maultaschen nicht umsonst auch Herrgottsb’scheißerle.

Für die Tortelli mantovani hat man dagegen das Fleisch durch ein Gemüse ersetzt, das in Püreeform als Fleischersatz dienen konnte, nämlich die in der wasserreichen Umgebung üppig wachsenden Kürbisse in allen erdenklichen Formen. Deren nahrhaftes Fruchtfleisch wird seit mindestens dem 15.Jh. im Backofen gegart und mit diversen Zutaten zu einer delikaten Farce für tortelli di zucca verarbeitet. Heute gehören zu dieser Farce unbedingt dazu: Zerbröselte →amaretti, mostarda (Senffrüchte aus →Cremona) und geriebener parmigiano oder grano padano. La zucca, der Kürbis, bringt Süße ins Spiel, der Käse salzige Würze und die Senffrüchte Süße und Schärfe gleichzeitig. Ergänzt wird das Zusammenspiel durch frisch geriebene Muskatnuss.

Tortelli mantovani

Ein Kürbis, der geschmacklich und wegen seines festen Fruchtfleischs besonders gerne für die turtèi ‚d süca (so heißen die tortelli di zucca im lombardischen Dialekt) genommen wird, ist der cappello del prete (wörtl. Priestermütze), der in seiner Form tatsächlich an die altertümliche Kopfbedeckung katholischer Geistlicher erinnnert.

Cappelli del prete

Manche Mantovani beharren darauf, dass die Form der Tortelli ein gezacktes Rechteck von etwa 4 x 6cm sein müsse. 

Andere orientieren sich bei der Formgebung an den kunstvoll gefalteten, in der Verkleinerungsform tortellini genannten Nudeln, die der Legende nach dem ombelico, dem Bauchnabel der →Venus nachempfunden sind.

Aber selbst in der Gastronomie sieht man auch Dreiecke oder runde Teigtäschchen. Wenn ein langer, etwa 8 bis 10 cm breiter Teigstreifen in regelmäßigen Abständen mit walnussgroßen Farce-Klümpchen belegt und dann längs zusammengefaltet wird, lassen sich mit dem gezackten Rundausstecher schöne Halbmonde ausstechen.

An vergangene Zeiten erinnern die in eine Decke eingerollten und kompakt verschnürten Habseligkeiten, die man hie und da noch bei Handwerksgesellen auf Wanderschaft sieht. Ein solches Bündel heißt im Italienischen baule, heute bezeichnet man auch kleinere Koffer mit diesem Begriff.

Mantovesische Bäcker rollen ausgerollten Weizenmehl-Teig zu kleinen Broten, die sich in der Ofenhitze und Dank der Hefe schön aufplustern und dann einem solchen Gepäckstück durchaus ähneln. Das Baule mantovano wird mit wenig Wasser gebacken. Deshalb darf es nur recht kurz in den Ofen und bleibt ziemlich hell. Man bekommt es in Brötchen-Größe von rund 40g bis zu einem halben Pfund. Während man an den Enden die Schnecke des aufgerollten Teiges erkennt, reißt die Oberseite nach ein oder zwei Einschnitten zu einem unregelmäßigen Ausbund auf.

Baule mantovano