Ulis Culinaria

Livorno

Cacciucco alla livornese

Wie viele andere Fischereihäfen hat auch die Stadt am toskanischen Mittelmeer eine lokale Fischeintopfvariante, den

Cacciucco alla livornese.

Über die Geschichte des Gerichtes und seines Namens informiert das →Comitato di Certificatione del

Cacciucco livornese tipico-tradizionale 5C,

das nach strenger Überprüfung eine Lizenz an Restaurants vergibt, die sich zur Einhaltung bestimmter Regeln bei der Zubereitung verpflichtet haben.

Der Name mit der selbst für Italiener ungewöhnlichen Häufung von fünf C soll aus der Türkei stammen: Ahmet, der Sohn eines Fischers in der Nähe von →Izmir, war mit balik çorbası aufgewachsen, einem Alltags-Eintopf (wörtl. Fisch-Suppe), den seine Mutter aus den nicht verkauften Resten des Tagesfangs zubereitete. Meist kamen da allerhand Krustentiere, Muscheln und vor allem kleine Fische in die çorba. Und wenn da mal was nicht mehr ganz so fangfrisch war, gab die Mutter einen guten Schuss Essig und reichlich Chili in den Topf …

Ahmet ging irgendwann mit italienischen Händlern, die er auf dem Markt in Izmir kennenlernte, nach Livorno, um dort sein Glück zu suchen. Livorno war seit jeher ein wichtiger Hafen, von dem aus z.B. die reiche toscanische Hauptstadt →Firenze 5okm weiter östlich und die anderen Stadtstaaten der Region mit ausländischen Waren und mit maritimen Lebensmitteln versorgt wurden.

Das Cacciucco-Komitee hat z.B. erreicht, dass ein großer, industrieller Lebensmittel-Konzern den Namenszusatz alla livornese auf seinem tiefgefrorenen Fertig-Cacciucco wieder streichen musste.

Mit dem Zusatz ist das Gericht inzwischen sogar als →PAT geschützt.

Der türkische Einwanderer eröffnete ein ristorante, in welchem er das Rezept seiner Mutter verwendete. Dafür bestellte er bei den Fischhändlern immer kleine Fische, türkisch küçük balik.

Im Italienischen, einer Sprache ohne Ü, wurde aus küçük (gesprochen kü’tschükk) mit der Zeit cacciucco (gesprochen ka’tschukko), und schon hatte Ahmet einen neuen Rufnamen.

Bald nannte man auch den Fischeintopf selbst sowie das Restaurant Cacciucco, und unter diesem Namen wurde das mütterliche Kochrezept zum Erfolgsrezept. Die Schärfe des Chili behielt Ahmet auch bei ganz frischem Meeresgetier bei, nur den Essig ersetzte er durch Rotwein aus dem Hinterland von Livorno.

Das Ende der gastronomischen Reise von Ahmet wird mit dem verheerenden Erdbeben von 1742 verbunden, das weite Teile der Stadt zerstörte. Aber der Fischtopf namens cacciucco hat überlebt und wird auch in benachbarten Hafenorten zubereitet. Mit der Betonung der 5C will das Komitee das Original auch gegen solche unbotmäßigen Nachahmungen in aller Deutlichkeit abgrenzen …!

Der große →Artusi unterscheidet die reichhaltige, geschmacksintensive Variante aus Livorno (Nr. 455) von der weniger würzigen, aber auch leichter verdaulichen aus Viareggio (Nr. 456), 30 km nördlich von Livorno.

Triglie alla livornese

Rotbarben, die mit Tomaten und Chilischoten gedünstet werden, heißen hier Triglie alla livornese. Die Rot- oder Meerbarbe (Mullus barbatus), in Atlantik und Mittelmeer gleichermaßen beheimatet, gehört zu den köstlichsten Fischen.

Das wusste bereits →Apicius zu schätzen, der in seinen Kochanleitungen mehrere Zubereitungen des mullus beschrieben hat. Freilich musste der alte Römer noch auf die Tomaten und die Chilischoten verzichten. 

fangfrische Rotbarben

Italienische Fischer bieten die rote Meerbarbe als triglia di fango an.

In →Marseille gehört der rouget-barbet zur Fischversammlung, die sich zur bouillabaisse einfindet. Und dass er sich auch in obigem Cacciucco gut macht, ist eh klar!

In der Haute Cuisine hat sich die Kennzeichnung à la livournaise für eine Marinade aus Essig und Öl mit Petersilie, gehacktem Ei und Sardellen eingebürgert.