Ulis Culinaria

La Martorana

Seit Anfang des 13.Jhs. befindet sich in der sizil-ianischen Hauptstadt Palermo ein Nonnenklo-ster, das nach seiner Gründerin La Martorana genannt wird.

Als Anfang des 14. Jhs. Papst Clemens V das Kloster im Winter, der früchtearmen Zeit, be-suchte, ließen sich die Nonnen zu seiner Erfreu-ung etwas einfallen. Aus marzapane formten sie verschiedenste Früchte, die sie durch Bemalung mit pflanzlichen Farben täuschend echt aussehen ließen. Damit behängten sie die kahlen Bäume des Klostergartens.

Frutti della Martorana

winterliche Früchte für den Papst

Die Freude und Bewunderung, die das Marzipan-Obst bei den Teilnehmern des päpstlichen Empfangs auslöste, ließen die-se Kunst zur Tradition werden. Vor allem zum Totensonntag werden die Frutti della Marto-rana aus der pasta reale, dem speziellen königlichen Teig aus Marzipanmasse, angefertigt. Aber auch zu anderen kirchli-chen Anlässen gibt es inzwi-schen eigene Formen (Oster-lamm etc.). Die Auslage einer pasticceria, die auf die frutti spezialisiert ist, sieht auf den ersten Blick tatsächlich aus wie ein bunter, gut bestückter Obststand.

Die pàsta riàli, wie der Marzi-panteig im sizilianischen Dia-lekt genannt wird, zählt unter der Bezeichnung pasta di man-dorle (Mandelteig) zu den an-erkannt traditionellen sizili-anischen Lebensmittelproduk-ten (→PAT). Die Mischung aus fein gemahlenen Mandeln und Puderzucker wird mit Orangen-blüten und Vanille aromati-siert. Beliebte hierfür verwen-dete Mandeln sind die Pizzuta aus dem sizilianischen →Avola oder die aus →Toritto am italienischen Stiefelabsatz.

M a r z i p a n

eine kleine Begriffsklärung

Zur Etymologie des Begriffs Marzipan gibt es mehrere Theorien, die jedoch alle bis heute umstritten sind. Häufig wird das in La Martorana anfänglich verarbeitete marzapane auf lateinisch Marci panis zurückgeführt, was Brot des Markus bedeutet und in Venezia zu Ehren des Stadtpatrons entstanden sein soll. In Spanien bringt man das süße Mandel-Zucker-Gemisch mazapán unter Verweis auf die maurische Vergangenheit der iberischen Halbinsel mit ähnlich lauten-den arabischen Begriffen in Verbindung. Der Wortstamm pan steht in etlichen Sprachen für Brot und bezieht sich wohl auf die teigähnliche Konsistenz und die an Brotlaibe erinnernde Form, in der Marzi–pan häufig präsentiert wird. In Frankreich kennt man eine ähnliche Mischung als massepain, wobei allerdings noch Eiweiß mit im Spiel ist. Marzipanrohmasse, die nur gemahlene Mandeln und Zucker enthält, verarbeiten pâtissiers als pâte d’amandes, Mandelteig.

Andere Kulturhistoriker siedeln den Ursprung des Marzipan in Ostasien oder in Afrika an. Da sich der Mandelbaum Prunus dulcis von Asien aus über den Vorde-ren Orient im Mittelmeerraum verbreitet hat, geht man allgemein davon aus, dass auch die Kunst der Marzipanherstellung von dort stammt. Städte wie →Lübeck oder →Königsberg, die Mandeln als Hanse-Ware importierten, rekla-mieren die Erfindung von Marzipan zwar ebenfalls für sich, was aber historisch eher unwahrscheinlich ist.

Qualitätsunterschiede bestehen im Men-genverhältnis der beiden Zutaten Man-deln und Zucker. Die helle, fast weiße Färbung entsteht durch Schälen und Bleichen der Mandeln vor dem Mahlen. Meistens wird das Rohmarzipan mit ver-schiedenen Aromen wie Orangenblüten-wasser, Vanille u.a. verfeinert. Lebens-mittelfarben können nicht nur, wie bei den frutti della Martorana, aufgemalt werden, sondern ergeben eine durchgefärbte Mas-se, wenn man sie schon beim Vermengen beifügt. Je höher der Mandelanteil, desto höher ist auch der Ölgehalt, was die Knetbarkeit der Masse verbessert. Als Modelliermaterial setzt sie, nicht nur in Martorana, der Phantasie künstlerisch veranlagter Konditor(inn)en keine Grenzen.

klassisch: Marzipanbrot
abgeflämmt: spanisches mazapán

Internationale Verwandtschaft

Das Marzipan hat diverse Verwandte: Manchmal ersetzt man die Mandeln durch andere ölhaltige Nussfrüchte wie z.B. Pistazien (→Salzburg) oder durch die inneren Kerne von Pfirsichen bzw. Apriko-sen. In letzterem Fall nennt man die Masse Persipan, entsprechend dem bota-nischen Namen des Pfirsichbaumes Prunus persica (persische Pflaume). Auch das o.g. massepain sowie der sog. Türkische Honig (frz. nougat, →Montélimar / ital. torrone, →Cremona / span. turrón, →Jijona) mit Eiweiß als drittem Element werden als Marzipan-Geschwister betrachtet.