Bei aller Weltoffenheit und Internationalität der Stadt als Großhafen und Medienstandort geht es in den Kochtöpfen Hamburgs meist recht bodenständig zu.
Wohl bekanntestes kulinarisches Wahrzeichen ist die Hamburger Aalsuppe. Ob hier allerdings ursprünglich wirklich Aal im Topf war, ist fraglich: Viele Hamburger meinen, es handle sich eigentlich um eine Reste-verwertungssuppe, in der aal bin (plattdeutsch für alles drin) ist, was in der Küche übrig war. Wohl, weil auswärtige Gäste immer wieder den Fisch vermissten, den der Name der Suppe zu versprechen schien, hat der Hamburgische Senat im 18.Jh. verfügt, dass in die Aalsuppe auch Aal gehört.
Immerhin hat der berühmte französische Schriftsteller und Gourmet Alexandre →Dumas d.Ä. (Die drei Musketiere) schon in seinem 1873 erschienenen Grand Dictionnaire de Cuisine ein Rezept für potage aux aiguilles à la mode de Hambourg notiert, bei dem der Schlangenfisch tatsächlich die Hauptrolle spielt.
Fest steht jedenfalls, dass die Kombination von Fisch und Fleisch sowie von süß und sauer-salzig den Reiz dieses Gerichtes ausmacht.
In einem Topf wird kräftige Fleischbrühe angesetzt, am besten mit dem Knochen eines Räucherschinkens, noch besser zusätzlich mit gepökeltem Rauchfleisch. Dazu kommen geschnittenes Suppengemüse und, der süßsauren Note wegen, gebackene Äpfel, Birnen und Pflaumen. In einem zweiten Topf wird, entsprechend der wesentlich kürzeren Garzeit, Aal in Weißwein gedünstet. Am Ende wird der Inhalt beider Töpfe vereint und oft mit Klüten (kleinen Mehlklößchen), gegebenenfalls dem geschnittenen Pökelfleisch und häufig mit Stücken von Räucheraal (su.) serviert.
Das hier verwendete Fleisch wird auch gerne kalt als Hamburger Rauchfleisch aufgeschnitten und mit frisch geriebenem Meerrettich gegessen.
Das Besondere am Hamburger Rauchfleisch: Es kommt vom Rind und nicht, wie fast überall sonst, wenn gepökelt und geräuchert wird, vom Schwein (→Cassel).
Früher gehörte das relativ haltbare Rauchfleisch zur kulinarischen Grundversorgung von Seeleuten auf Großer Fahrt.
Die Vorliebe für Backobst zeigt sich auch bei der Gans auf Hamburger Art, die mit gedünsteten Äpfeln und eingeweichten Backpflaumen gefüllt und gebraten wird.
Ältere Bahnreisende kennen aus den DB-Speisewagen vielleicht noch das früher dort angebotene Hamburger Kraftbrot, eine dunkle gebutterte Schnitte Vollkornbrot, belegt mit Rührei und kleinen Würfelchen vom Rauchfleisch oder anderem Schinken.
Ähnlich wie in der hanseatischen Schwesterstadt →Bremen kennt man auch in Hamburg die Tradition des heizungsverwöhnten Babyhähnchens (ca. drei Wochen alt), das als Hamburger Stubenküken allerdings nicht zu Ragout wird, sondern ein Mäntelchen aus Schinkenspeck erhält und dann im heißen Ofen knusprig goldbraun braten darf.
Aus dem bitteren Kriegswinter 1916/17 stammt das Hamburger National, näher erläutert bei dessen Pendant →Lübecker National.
An einen zwei Jahre später, also 1919 stattgefundenen frühen Gammelfleischskandal erinnert noch heute eine Gedenktafel im Hamburger Rathaus. Beim Transport zerbarst ein Behälter einer Wurstwarenfabrik und zum Vorschein kam verdorbenes Fleisch von Hunden, Katzen und Ratten. Eine aufgebrachte Menschenmenge vermutete, dass mit diesem Unrat in betrügerischer Absicht Sülze produziert werden sollte und stürmte im so genannten Hamburger Sülzeaufstand mehrere
Fleischwarenfabriken, wo weiteres Unappetitliches gefunden wurde. Nach tagelangen blutigen Auseinandersetzungen, die zusätzlich von den Nachwirkungen der Novemberrevolution angeschürt wurden, schlug die Reichswehr den Aufstand schließlich nieder.
Immerhin wurden als Folge dieses Skandals staatliche Hygiene-Institute erstmals ermächtigt, direkt in der Produktion der Fleischfabriken Kontrollen vorzunehmen.
Schon lange bereitet man in den USA das Beefsteak auf Hamburger Art zu, gehacktes und mit gedünsteten Zwiebeln vermengtes Rinderfilet, das in Steakform gebraten wird und zu den bei →Paul Bocuse genannten Küchenklassikern gehört.
Ob es sich hierbei um die edlere Vorform des zum Massenprodukt verkommenen Fast-Food-Hamburgers handelt, ist ungeklärt, zu zahlreich sind die Legenden um dessen Ursprünge. Zumindest erinnert der patty, der vorkonfektionierte Rindfleischbrätling, der mit unterschiedlichen Zutaten und Saucen zwischen ein aufgeschnittenes Sesambrötchen geklemmt wird, entfernt an die o.g. Hamburgische Variante.
Dabei könnte der Snack sein schlechtes Fast-Food-Image durchaus überwinden. Denn mit gutem Rinderhack und guten Zutaten frisch zubereitet wird er zu einer nahrhaften und wohlschmeckenden Variante des altbekannten →Sandwichs.
Für die Hansestadt als Namenspatin des hamburger spricht auch die Anekdote, irgendwann habe ein Wirt an der Reeperbahn späten Gästen – die Küche war bereits kalt ‒ aus Verlegenheit ein paar Scheiben Braten aufgewärmt und diese mit Soße in aufgeschnittenen Brötchen serviert. Es handelte sich dabei um sog. Rundstücke, glatte, kugelige Weizenmehlbrötchen. Folglich ging der improvisierte Imbiss, von den Nachtschwärmern begeistert begrüßt, als Rundstück warm in die hamburgische Küchentradition ein und soll dem heutigen Hamburger mit dem Hackfleisch-Patty zum Vorbild gedient haben.
Eine andere Geschichte verbindet den Ursprung des Hamburgers mit der Auswandererwelle des 19.Jhs., als es unzählige Europäer aus wirtschaftlicher Not in die Neue Welt der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten zog:
An den Überseekais im Hamburger Hafen verkauften Metzger Hackfleisch, das durch Salz haltbar gemacht, zu flachen Scheiben gepresst und gebraten worden war, als Wegzehrung für die lange Schiffsreise an die Emigranten. Die Bezeichnung nach dem Abreiseort soll so bis in die USA gelangt sein, wo dem gebratenen Fleischfladen später das weiche Brötchen sowie die anderen bekannten Zutaten verpasst wurden.
Unbestritten ist, dass das englische Wort ham für Schinken nichts mit dem (phonetisch) Hämbörger zu tun hat.
Obwohl inzwischen allgemein anerkannt wird, dass die Currywurst in →Berlin erfunden wurde, hat der gebürtige Hamburger Schriftsteller Uwe Timm in seiner 1993 veröffentlichten Novelle Die Entdeckung der Currywurst diesen wohl deutschesten aller Fast-Food-Snacks einer Hamburgerin zugeschrieben. Die Erzählung sowie deren Verfilmung wurden allerdings weniger wegen des scharfen Imbisses ein Publikumserfolg als wegen der einfühlsamen Schilderung einer verzweifelten Liebe in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges
Wenn man Herbert Grönemeyer folgt, gehört die Currywurst natürlich als Lieblingsspeise der Kohle-Kumpels in den Ruhrpott.
Der Bochumer Sänger schwärmt:
Gehste inne Stadt
Wat macht dich da satt?
‚Ne Currywurst
Kommste vonne Schicht
Wat schönret gibt et nich‘
Als wie Currywurst mit Pommes dabei
Ach, dann gebense gleich zweimal Currywurst
Das wichtigste Reiseutensil des Matrosen ist seit jeher der Seesack. Er enthält alles, was auf Großer Fahrt gebraucht werden könnte. Findige Marketingstrategen haben hieraus das Souvenir Hamburger Seesack abgeleitet, einen kleinen Jutebeutel, gefüllt mit kulinarischen Spezialitäten, die den Touristen an die Tradition Hamburgs als Hafen- und Speicherstadt erinnern sollen: Speicherkaffee, orientalische Gewürze, Schokolade, Lakritze usw. Und manchmal lugt auch ein Hamburger Knüppel aus dem Sack, eine herzhafte Schweinemettwurst in Form eines dicken Stabes.
Hamburger ist außerdem – vielleicht in Anlehnung an das oben erwähnte Rauchfleisch? ‒ die schwedische Bezeichnung für geräuchertes Pferdefleisch, das, wie alle schinkenartigen Fleischprodukte, in hauchdünn geschnittenen Scheiben zum Genuss wird.
Eine den Marshmallows ähnelnde Süßigkeit stellt der Hamburger Speck dar. Eine rote Schicht Zuckerschaum, darauf eine weiße und wieder eine rote, schon hat man die Hamburger Landesfarben in Bauchfleisch-Optik zum Vernaschen.
Im Hamburger Bezirk→Altona und besonders im Stadtteil Ottensen, direkt am Hafen, siedelten sich Ende des 19., Anfang des 20.Jhs. vermehrt Fischräuchereien an. Vom kleinen privaten Öfchen wie hier auf der Zeichnung bis zur hoch aufragenden, pyramidenartig gemauerten gewerblichen Anlage hatten all die Altonaer Öfen, wie sie bald genannt wurden, eins gemeinsam: Sie verbreiteten enormen Rauch und penetranten Geruch, sodass sie nach dem 2. Weltkrieg aus dem Wohngebiet verschwanden.
Andererseits ist die Erinnerung an die Qualität der Fische, die in den Altonaer Öfen zur Delikatesse wurden, nicht ganz verblasst. Zur Zeit erlebt die alte Räucherei, ausgestattet mit moderner Filtertechnik und fernab von Wohnbebauung, einen zarten Ansatz von Renaissance.
Auch der zur oben beschriebenen Hamburger Aalsuppe gerne verwendete Räucheraal durchlief in aller Regel einen Räuchergang in einem Altonaer Ofen.
Gegenüber von Altona, südlich der Elbe, liegt der Stadtteil →Finkenwerder, der wegen zweier kulinarischer Spezialitäten ebenfalls einen eigenen Artikel in diesem Lexikon hat …