Ulis Culinaria

Gragnano

Die Gemeinde im Großraum Napoli nimmt in der landesweiten italienischen Nudeltradition einen besonderen Platz ein.

Nach einer Hungersnot im Königreich Neapel entwickelten Müller in Gragnano erste Ansätze einer industriellen Pasta-Produktion, indem sie Maschinen zur Herstellung unterschied-lichster Varianten des Grundnah-rungsmittels einsetzten. Allen voran standen – und stehen bis heute – die maccheroni (eingedeutscht Makkaroni*). So wurden die mangiafoglia (Blätter-Esser), wie die hungrigen, von Salat- und Gemüsepflanzen lebenden Napolitaner mitleidig-spöttelnd genannt wurden, nach und nach zu mangiamaccheroni (Makkaroni-Esser).

Città della pasta

∗  In Italien bezeichnet man mit maccheroni alle möglichen Nudeln, insbesondere aber kurze, mehr oder weniger gebogene Röhrennudeln, wie sie hier der 2. Löffel von unten zeigt..

Die in Deutschland oft als Makkaroni verkauften, ca. 30cm langen, dünnen Röhrennudeln heißen bucatini.

Der sprachliche Ursprung liegt bei einem uralten griechischen Suppengericht mit Mehleinlage, das makaria genannt wurde.

Auf dieses Wort gehen auch die vor allem aus der französischen Pâtisserie bekannten süßen→macarons zurück, im Deutschen Makronen genannt.

Nachdem der neapolitanische König Ferdinando II die Nudelmacher der Stadt im Jahr 1845 mit der exklusiven Belieferung des Hofes in Napoli beauftragt hatte, bekam Gragnano den Ehrentitel Città dei maccheroni. Seinerzeit war das Straßenbild der Stadt, wie auf dem nebenstehenden Foto um 1900 zu sehen, noch von langen Gestellen geprägt, auf denen die frischen Nudeln zum Trocknen aufgehängt wurden.

Pasta di Gragnano

Die Sonderstellung der hiesigen pasta wird auch auf die Qualität des klaren Wassers zurückgeführt, das im Gebiet von Gragnano aus natürlichen Quellen fließt, nachdem es auf seinem langen Weg durch tiefe Felsschichten gefiltert wurde. Für die meisten Nudelsorten aus Gragnano wird das semola di grano duro, der Hartweizengrieß, nur mit diesem Wasser zu Teig angesetzt, die Zugabe von uovo (Ei) ist die Ausnahme.

Heute verdient ein Großteil der Bevölkerung von Gragnano und Umgebung seinen Lebensunterhalt in einer der rund 100 Nudelfabriken. Also nicht ganz ohne berechtigten Stolz nennt sich die Stadt Città oder Patria della pasta. Und die Pasta di Gragnano trägt seit 2013 das →IGP-Siegel der EU.

Wie gut Nudeln eine Sauce aufnehmen, hängt wesentlich von der Form und der Oberfläche ab. Experten unterscheiden, wenn man einmal die paste ripiene (gefüllte Nudelvarianten wie ravioli oder tortellini) außer acht lässt, in paste lunghe, zu denen beispielsweise spaghetti, vermicelli oder linguine gehören. 

Dagegen werden rigatoni, pappardelle, farfalle, penne und einige mehr als paste corte bezeichnet. Unter diesen kurzen Nudeln bieten manche der Sauce sogar einen kleinen Hohlraum als Versteck: Conchiglie bilden Meeresmuscheln ab, orecchiette kleine Ohrmuscheln, und ditali sind, übersetzt, die Fingerhütchen aus der Schneiderstube.

penne lisce

Hinsichtlich der Oberfläche hat man, ob lang oder kurz, die Wahl zwischen glatt und gerillt. Denn die Strukturen dienen nicht der Verzierung, sondern bieten den unterschiedlichsten Saucen Halt auf dem Weg vom Teller in den Mund. Beispielsweise die kurzen, schräg geschnittenen Röhrennudeln sind als penne lisce oder als penne rigate im Angebot. Bei den rigatoni steckt die Rillenstruktur schon in der Sorten-bezeichnung.

penne rigate

Bei allen Sorten, die ihre Gestalt beim Pressen des Teiges durch gelochte Formen erhalten, schwören Traditionalisten auf die pasta trafilata al bronzo. Denn nur Lochscheiben aus Bronze geben den Nudeln eine leicht aufgerauhte Oberflächenstruktur, die die Aufnahme der salsa oder des sugo besonders gut gewährleistet.

Und besonders gut passt zu den Nudeln, welche Version auch immer, eine salsa, die aus den schmackhaften pomodori des nahegelegenen →San Marzano zubereitet wird.