In einem engen Zeitraum Ende Mai, Anfang Juni werden in der Nordsee Heringe (Clupea harengus harengus) gefangen, die dann zwar noch nicht die volle Geschlechtsreife erreicht, aber schon soviel Fett angesetzt haben, dass sie zu Matjes verarbeitet werden können.
Der Begriff ist abgeleitet vom altholländischen maeghdekens haerinck bzw. vom niederländischen Wort Maatjesharing für den mangels Geschlechtsreife noch jungfräulichen, also mädchenhaften Hering.
Direkt nach dem Fang werden der Kopf und die Kiemen entfernt und der Fisch ausgenommen. Doch nicht vollständig: Die Bauchspeicheldrüse bleibt drin! Denn in dieser sind Enzyme enthalten, die das Fischeiweiß während des anschließenden mehrtägigen Bades in Salzlake fermentieren lassen, was den Hering, im Ganzen oder als Filet, zum zarten und wohlschmeckenden Matjes macht. Dieses Verfahren soll, wie so manche andere kulinarische Erfindung, auf einem Versehen beruhen. Schon im 14.Jh. soll ein holländischer Fischer beim Ausnehmen seines Heringsfangs aus Nachlässigkeit die Bauchspeicheldrüsen vergessen haben, was dann wider Erwarten zu dem köstlichen Ergebnis führte.
Heute beherrschen die Holländer das europäische Matjes-Geschäft, wobei längst viele Arbeitsschritte mechanisiert worden sind und auch schon mal Farbstoffe für den rosigen Glanz der Filets sorgen oder künstliche Enzyme im sog. Heringsreifer den Fermentierungsprozess beschleunigen, um möglichst als Erster das Produkt auf den Markt zu bringen.
Auch aus diesen Gründen waren in Glückstadt an der Unterelbe Heringsfang und Matjesproduktion in den 70er Jahren wegen Unwirtschaftlichkeit eingeschlafen. Bis sich ein Grüppchen ambitionierter Menschen, darunter der Bürgermeister, ein Fischer und ein Gastronom, an die Wiederbelebung der Matjestradition wagte.
Nicht Quantität, sondern Qualität war – und ist bis heute – das Ziel. Das beginnt bei der Auswahl der Heringe. So sind beispielsweise, um nur ein Kriterium zu nennen, die Fische aus der Ostsee wegen des schnelleren Wachstums im relativ warmen Wasser meist zu fett, das Fleisch nicht fest genug. Das ist beim Fang aus der kalten Nordsee günstiger.
Dann ist vom Kiemenschnitt über das Ausnehmen bis zum Einschichten der Filets in Eichenfässer mit Salzlake alles sorgfältige Handarbeit. Auch das mehrmalige Wenden der Fässer zur gleichmäßigen Veteilung der Lake und das Überprüfen und Nachjustieren des Salzgehaltes lässt einen Matjes entstehen, der längst überregionalen Ruf genießt.
Dies hat 2015 auch die EU-Kommission durch Anerkennung der Bezeichnung
Glückstädter Matjes
als →g.g.A. honoriert. Dass diese Qualität entsprechend bezahlt sein will, liegt auf der Hand. Wer aber den Unterschied zwischen Massenmatjes und dem Glückstädter einmal erschmeckt hat, legt gerne ein paar Euro drauf.
Ausprobieren kann man es direkt vor Ort jährlich im Juni bei den Glückstädter Matjestagen.
Wegen des zarten Schmelzes, des Fettgehalts und der pastellartigen Färbung wird Matjes gelegentlich als Marzipan des Meeres bezeichnet.
Tatsächlich gibt es auch kreative Feinschmecker, die den Hering mit der wirklichen Mandel-Zucker-Masse kombinieren und verblüffende Geschmackserlebnisse versprechen. Im Norden Deutschlands bietet sich hier natürlich die Marzipan-Hauptstadt →Lübeck als kulinarische Partnerin an.