Ulis Culinaria

Geroskipou

Der Name des Ortes im Südwesten von Zypern wird manchmal auch mit Y geschrieben, also Yeroskipou.

Beide Schreibweisen lassen sich sprachlich und historisch begründen: Ein

geros kipos ist ein alter Garten,

und hieros kipos bedeutet heiliger Garten.

 

Aus dem Mandelgarten der Aphrodite

Es gibt archäologische Hinweise, dass die alten Griechen schon in der Zeit der Besiedelung der Insel hier einen Hain angelegt haben, den sie der Liebesgöttin →Aphrodite weihten.

Dass sich in einem solchen Hain auch Mandelbäume befunden haben, ist sehr gut möglich. Der →Prunus dulcis, die Süßmandel, ist seit Jahrtausenden im ganzen Mittelmeerraum bekannt und seine Steinfrüchte sind seit jeher fester und wertvoller Bestandteil der menschlichen Ernährung. Da sonnenverwöhnte Mandeln neben vielen Spurenelementen und fast 50% Fett auch eine schöne Süße bieten, hat man sie schon immer gerne für Backwerk und Süßigkeiten verwendet.

Am bekanntesten und längst weltweit bekannt sind Mischungen von gemahlenen Mandeln und Zucker, allen voran das →Marzipan.

Marzipan

Ebenfalls uralt und vielleicht aus dem arabischen Kulturraum über Spanien nach Europa gelangt ist die Urform all dessen, was wir als →Bonbon oder →Praline bezeichnen. Dafür werden Nüsse, schmackhafte Samen oder eben auch Mandeln in geschmolzenem Zucker gewälzt und mit einer süßen Kruste überzogen. Das nennt man auch konfieren. Im Französischen bedeutet confire au sucre, etwas in Zucker einzumachen. Das Produkt nennt man confit, was im Italienischen den →confetti und im Deutschen dem Konfekt entspricht.

Die Ur-Praline

Die Zuckerhülle macht durch das luftdichte Einschließen die Mandel haltbar, was auch bei anderen Nussfrüchten und bei Obst praktiziert werden kann. Je nachdem, wie stark man den Zucker karamellisieren lässt, kann man den Geschmack zwischen Süße und Bitterkeit austarieren. Zusätzlich können natürlich alle möglichen Aromen beigefügt werden, von Apfel bis Zitrone und von Chili bis Zimt. Dank moderner Lebensmittelfarben kennt auch die Farbgebung keine Grenzen mehr.

In Geroskipou stellt man Mandelkonfekt her, bei denen die Zuckerhülle nicht glashart wird, sondern dem Gaumen ein zartes Lutscherlebnis gönnt.

Κουφέτα Αμυγδάλου Γεροσκήπου

Jedes Kind auf Zypern kennt die

Κουφέτα Αμυγδάλου Γεροσκήπου,

lateinisch-schriftlich Koufeta Amygdalou Geroskipou.

Im deutschen Handel könnten sie mit

Mandelkonfekt aus Geroskipou

übersetzt werden. Im zweiten Teil des Markennamens steckt das griechische Wort amýgdalo für Mandel, das auch im botanischen Gattungsnamen Prunus amygdalus auftaucht.

Der durchschlagende Erfolg des süßen Geheimnisses wurde 2012 mit der Anerkennung des Namens als →g.g.A. belohnt.

Im Jahr 1895 begann ein gewisser Sophoklis Athanasiou in Geroskipou mit der Herstellung von Süßigkeiten. Er hatte jahrelang die Welt bereist und wählte nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt die Confiserie als Grundlage seines Lebensunterhalts.

Koufeta Amygdalou Geroskipou

Ein wirtschaftlicher Pfeiler seiner Arbeit wurden Mandeln in einer zart schmelzenden Zuckerhülle. Dazu röstet man die geschälten und von ihrem Häutchen befreiten Kerne zunächst an. Der hohe Fettgehalt ergibt ein intensives Röstaroma und der Zuckergehalt der Mandeln verleiht eine karamellige Note. Anschließend vereint man sie in einem beheizten, rotierenden Kessel, wie er in der Pharmazie für die Herstellung von Dragees verwendet wird, mit dem Zucker. Die Hitze des Kessels und die ständige Drehbewegung führen zu einer leicht rauen, kristallinen Zuckerschicht von 3 bis 4mm Dicke. Im Unterschied zu anderen Pralinen bleibt diese Hülle weich, was ein besonderes Munderlebnis verspricht. Die Kunst besteht im richtigen Mengenverhältnis von Zucker und Mandeln, vor allem aber in der konstanten Überwachung der Hitzezufuhr und der Rotationsgeschwindigkeit des Dragierkessels. Die Zuckermandeln dürfen auf keinen Fall miteinander verkleben, und verbrannter Zucker wird im Nu bitter. Und außer Zucker und Mandeln kommt nichts in den Kessel. Beide können von außerhalb kommen, die Produktion der Süßigkeit ist aber auf Geroskipou beschränkt.

L o k u m

Als zweites wichtiges Produkt wählte Athanasiou eine Süßigkeit, die in allen Ländern des früheren Osmanischen Reiches beliebt ist: Lokum. Aus Zucker, Stärkemehl oder Mastix und Wasser wird ein dickflüssiges Sirup gekocht, das in verschiedensten fruchtigen, schokoladigen oder karamelligen Geschmacksrichtungen aromatisiert werden kann. In manchen Varianten beißt man auf ganze oder gehackte Mandeln, Haselnüsse, Pistazien und andere knackige Zutaten. Eine beliebte Aromazutat ist Rosenwasser, wie es z.B. in →Agros im Inneren der Insel aus Blüten von Damaszenerrosen destilliert wird. 

Nach dem Erkalten wird das je nach Aroma gefärbte, aber glasklare, feste Gel in mundgerechte quader- oder rautenförmige Stücke geschnitten. Vor dem Verpacken wälzt man sie in Puderzucker oder Kokosraspeln, damit sie nicht miteinander verkleben. Die Konsistenz ähnelt dem bei uns zu Bärchen und Anderem geformten Fruchtgummi, ist aber weniger fest und zergeht sanft auf der Zunge. Vor allem kommt bei Lokum, weil vom Islam verboten, keine tierische Gelatine zum Einsatz, sondern in der Regel sorgt Maismehl für die zarte Festigkeit. Manchmal wird auch noch das recht kostbare Mastix eingesetzt, der harzige Holzsaft der Mastixsträucher (Pistacia lentiscus), die z.B. auf der Ägäisinsel Chios ausschließlich dafür angebaut werden.

Der zugrundeliegende arabische Begriff rahat al hulqum bedeutet wohliges Mundgefühl. Im Türkischen meint man mit rahat lokum ein genüssliches Häppchen, das man wie eine Praline genießt.

Auch die Kartenspielfarbe, die in deutschen Skatrunden Karo heißt, wird in der Türkei als lokum aufgerufen, in Anlehnung an die Form der süßen Gelklötzchen. 

Rosenwasser

Das erste Lokum in dieser Form soll ein türkischer Zuckerbäcker um 1780 in Istanbul, damals noch Konstantinopolis, in den Verkauf gebracht haben. Heute wäre für türkische Kinder şeker bayramı, das Zuckerfest am Ende des Ramadan, ohne Lokum nicht vollständig. Bei den eher christlich orientierten griechischen Nachbarn gilt das z.B. für das Osterfest. Sie haben die Bezeichnung Lokum in der Schreibweise loukoumi übernommen.

Loukoumi Geroskipou

Das Familenunternehmen der Athanasious verkauft die Süßigkeit unter dem Namen Λουκούμι Γεροσκήπου / Loukoumi Geroskipou, der schon seit 2007 als →g.g.A. geschützt ist. Die vom Firmen-gründer Sophoklis erarbeiteten süßen Produktionsgeheimnisse werden von einer Generation zur nächsten weitergegeben und als Familienschatz gehütet. Vor etlichen Jahrzehnten wurde als Namenspatin für das Unternehmen die quasi in Geroskipou beheimatete →Aphrodite gewählt, die Göttin sinnlicher Genüsse, zu denen das Naschzeug ohne Zweifel auch gehört.

Λουκούμι Γεροσκήπου

Längst haben die Zuckermandeln, das Loukoumi und weitere Aphrodite-Süßigkeiten Geroskipou den Ruf als Hochburg der Confiserie eingetragen. In touristischen Broschüren und in Reiseführern werden sie ganz vorne genannt, wenn es um die Attraktivität von Geroskipou geht. Auch literarische Erwähnung haben Loukoumi, Mandelpralinen & Co. schon mehrfach gefunden. So beispielsweise schon um 1930 in einer frühen Erzählung von Nikos Kazantzakis, dem sicher größten Schriftsteller des modernen Griechenland und Schöpfer von Alexis Sorbas.