Ulis Culinaria

Geroskipou

Der Name des Ortes im Südwesten von Zypern wird manchmal auch mit Y geschrieben, also Yeroskipou.

Beide Schreibweisen lassen sich sprachlich und historisch begründen: Ein geros kipos ist ein alter Garten, und hieros kipos bedeutet heiliger Garten. Es gibt archäologische Hinweise, dass die alten Griechen schon in der Zeit der Besiedelung der Insel hier einen Hain angelegt haben, den sie der Liebesgöttin →Aphrodite weihten.

Dass sich in einem solchen Hain auch Mandelbäume befunden haben, ist sehr gut möglich. Der Prunus dulcis, die Süßmandel, ist seit Jahrtausenden im ganzen Mittelmeerraum bekannt und seine Steinfrüchte sind seit jeher fester und wertvoller Bestandteil der menschlichen Ernährung. Da sonnenverwöhnte Mandeln neben vielen Spurenelementen und fast 50% Fett auch eine schöne Süße bieten, hat man sie schon immer gerne für Backwerk und Süßig-keiten verwendet.

Am bekanntesten und längst weltweit bekannt sind Mischungen von gemahlenen Mandeln und Zucker, allen voran das Marzipan.

Aus den Mandelgärten Zyperns

Jedes Kind auf Zypern kennt die Κουφέτα Αμυγδάλου Γεροσκήπου, lateinisch-schriftlich Koufeta Amygdalou Geroskipou. Im deutschen Handel könnten sie mit Mandelkonfekt aus Geroskipou übersetzt werden. Im zweiten Teil des Markennamens steckt das griechische Wort amýgdalo für Mandel, das auch im botanischen Gattungsnamen Prunus amygdalus auftaucht. Der durchschlagende Erfolg des süßen Geheimnisses wurde 2012 mit der Anerkennung des Namens als →g.g.A. belohnt.

Koufeta Amygdalou Geroskipou

Das meiste, das heute in der Confiserie unter der Bezeichnung Praline oder Konfekt über die Ladentheke geht, basiert auf der Kombination von Mandelkern und Zucker. Ursprünglich wurden geschälte, ganze Mandelkerne in geschmolzenem Zucker gewälzt und erhielten so einen nach dem Erkalten glasharten Überzug. Die Zuckerhülle macht durch das luftdichte Einschließen die Mandel haltbar, was auch bei anderen Nussfrüchten und bei Obst praktiziert werden kann. Je nachdem, wie stark man den Zucker karamellisieren lässt, kann man den Geschmack zwischen Süße und Bitterkeit austarieren. Das Konservieren von Lebensmitteln durch Zucker nennt man auch konfieren, das Ergebnis genießen wir als Konfekt. Zum zweiten macht natürlich die Süße gerade die Verlockung eines solchen →praliné aus.

Im Jahr 1895 begann ein gewisser Sophoklis Athanasiou in Geroskipou mit der Herstellung von Süßigkeiten. Er hatte jahrelang die Welt bereist und wählte nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt die Confiserie als Grundlage seines Lebensunterhalts.

Ein wirtschaftlicher Pfeiler seiner Arbeit wurden Mandeln in einer zart schmelzen-den Zuckerhülle. Dazu röstet man die

geschälten und von ihrem Häutchen befreiten Kerne zunächst an. Der hohe Fettgehalt ergibt ein intensives Röstaroma und der Zuckergehalt der Mandeln verleiht eine karamellige Note. Anschließend ver-eint man sie in einem beheizten, rotieren-den Kessel, wie er in der Pharmazie für die Herstellung von Dragees verwendet wird, mit dem Zucker. Die Hitze des Kessels und die ständige Drehbewegung führen zu einer leicht rauen, kristallinen Zucker-schicht von 3 bis 4mm Dicke. Im Unter-schied zu anderen Pralinen bleibt diese Hülle weich, was ein besonderes Kau-erlebnis verspricht. Die Kunst besteht im richtigen Mengenverhältnis von Zucker und Mandeln, vor allem aber in der kon-stanten Überwachung der Hitzezufuhr und der Rotationsgeschwindigkeit des Dragier-kessels. Die Zuckermandeln dürfen auf keinen Fall miteinander verkleben, und verbrannter Zucker wird im Nu bitter. Und außer Zucker und Mandeln kommt nichts in den Kessel. Beide können von außer-halb kommen, die Produktion der Süßig-keit ist aber auf Geroskipou beschränkt.

L o k u m

Als zweites wichtiges Produkt wählte Athanasiou eine Süßigkeit, die in allen Ländern des früheren Osmanischen Reiches beliebt ist: Lokum. Aus Zucker, Stärkemehl oder Mastix und Wasser wird ein dickflüssiges Sirup gekocht, das in verschiedensten fruchtigen, schokoladigen oder karamelligen Geschmacksrichtungen aromatisiert werden kann. In manchen Varianten beißt man auf ganze oder gehackte Mandeln, Haselnüsse, Pistazien und andere knackige Zutaten. Eine beliebte Aromazutat ist Rosenwasser, wie es z.B. in →Agros im Inneren der Insel aus Blüten von Damaszenerrosen destilliert wird. 

Nach dem Erkalten wird das je nach Aroma gefärbte, aber glasklare, feste Gel in mundgerechte quader- oder rautenförmige Stücke geschnitten. Vor dem Verpacken wälzt man sie in Puderzucker oder Kokosraspeln, damit sie nicht miteinander verkleben. Die Konsistenz ähnelt dem bei uns zu Bärchen und Anderem geformten Fruchtgummi, ist aber weniger fest und zergeht sanft auf der Zunge. Vor allem kommt bei Lokum, weil vom Islam verboten, keine tierische Gelatine zum Einsatz, sondern in der Regel sorgt Maismehl für die zarte Festigkeit. Manchmal wird auch noch das recht kostbare Mastix eingesetzt, der harzige Holzsaft der Mastixsträucher (Pistacia lentiscus), die z.B. auf der Ägäisinsel Chios ausschließlich dafür angebaut werden.

Der zugrundeliegende arabische Begriff rahat al hulqum bedeutet wohliges Mundgefühl. Im Türkischen meint man mit rahat lokum ein genüssliches Häppchen, das man wie eine Praline genießt.

Auch die Kartenspielfarbe, die in deutschen Skatrunden Karo heißt, wird in der Türkei als lokum aufgerufen, in Anlehnung an die Form der süßen Gelklötzchen. 

Das erste Lokum in dieser Form soll ein türkischer Zuckerbäcker um 1780 in Istanbul, damals noch Konstantinopolis, in den Verkauf gebracht haben. Heute wäre für türkische Kinder şeker bayramı, das Zuckerfest am Ende des Ramadan, ohne Lokum nicht vollständig. Bei den eher christlich orientierten griechischen Nachbarn gilt das z.B. für das Osterfest. Sie haben die Bezeichnung Lokum in der Schreibweise loukoumi übernommen.

Das Familenunternehmen der Athanasious verkauft die Süßigkeit unter dem Namen Λουκούμι Γεροσκήπου / Loukoumi Geroskipou, der schon seit 2007 als →g.g.A. geschützt ist. Die vom Firmen-gründer Sophoklis erarbeiteten süßen Produktionsgeheimnisse werden von einer Generation zur nächsten weitergegeben und als Familienschatz gehütet. Vor etlichen Jahrzehnten wurde als Namens-patin für das Unternehmen die quasi in Geroskipou beheimatete Aphrodite gewählt (s.o.), die Göttin sinnlicher Genüsse, zu denen das Naschzeug ohne Zweifel auch gehört.

Loukoumi

Geroskipou

Längst haben die Zuckermandeln, das Loukoumi und weitere Aphrodite-Süßigkeiten Geroskipou den Ruf als Hochburg der Confiserie eingetragen. In touristischen Broschüren und in Reiseführern werden sie ganz vorne genannt, wenn es um die Attraktivität von Geroskipou geht. Auch literarische Erwähnung haben Loukoumi, Mandelpralinen & Co. schon mehrfach gefunden, so beispielsweise schon um 1930 in einer frühen Erzählung von Nikos Kazantzakis, dem sicher größten Schriftsteller des modernen Griechenland und Schöpfer von Alexis Sorbas.