Ulis Culinaria

Ferrara

Erotischen Witz beweisen Bäcker der Stadt in der Emilia-Romagna, die zwei Weißbrotteigstangen kreuzweise zu einem Paar (coppia) verknoten und zur

Coppia Ferrarese

(→IGP) backen. Der Hefeteig enthält reichlich Schweineschmalz und gutes Olivenöl, sodass eine luftig-lockere Krume mit einer knusprigen goldgelben Kruste entsteht.

Wenn man die jeweils in V-Form zueinanderstehenden Schenkel des Kreuzes als Beine betrachtet, bieten sich recht eindeutig zweideutige Formassioziationen an …

la Coppia Ferrarese

Nach schriftlichen Quellen geht der Ursprung der ciupeta, so die Dialektbezeichnung, auf ein im 15.Jh. zu Karneval gebackenes Brot zurück. Es wird auch in Verbindung gebracht mit der (unehelichen) Papsttochter Lucrezia Borgia, die in dritter Ehe Alfonso d’Este heiratete, einen Herzog aus dem alten Ferraresischen Adelsgeschlecht Este. Die vier von dem Knoten in der Mitte der coppia weglaufenden gedrehten Enden, die corna (Hörner, im Dialekt curnit) sollten an die Locken der schönen Dame erinnern.

Die Form des Brotes bietet zweierlei Genuss: Die dünneren corna werden beim Backen recht trocken, weshalb man sie gerne, wie die in ganz Italien bekannten grissini, zu Wurst, Käse oder einfach einem Glas Wein knabbert. Das zarte, saftige Innere des grop, wie der dicke Knoten genannt wird, eignet sich beispielsweise hervorragend zum Aufnehmen des sugo, den eine pasta im Teller zurückgelassen hat.

1548 starb in Ferrara Cristoforo di Messisbugo, der als Autor eines der ältesten Kochbücher Italiens bekannt wurde. Ein Jahr nach seinem Tod wurden seine Aufzeichnungen über Banchetti composizione di vivande e apparecchio generale veröffentlicht. Die Ratschläge zur Zusammenstellung und allgemeinen Vorbereitung von Speisen für Bankette beruhten auf den Erfahrungen Messibugos als langjähriger Küchenmeister im Haus Este. Für die in der Zeit des rinascimento (Renaissance) üblichen kulinarischen Großveranstaltungen brauchte man Gerichte, die im Voraus zubereitet werden konnten und sich deshalb auch mal ein paar Tage lang halten mussten. Dazu eignen sich z.B. Pasteten, deren Inneres durch eine Teighülle geschützt ist. Bis heute ist eine solche aufwändige pastella, wie Messisbugo sie nannte, unter der Bezeichnung

Pasticcio di maccheroni alla ferrarese

beliebt. So beliebt, dass sie als →PAT anerkannt wurde.

il Pasticcio di maccheroni alla Ferrarese

reina del pasticcio ferrarese

Eine flache, früher meist kupferne Backform wird mit gesüßtem Mürbeteig ausgeschlagen, wie man ihn sonst für Kuchen nimmt. Aus Fleisch von Kalb, Schwein und Huhn, Karotten und Zwiebeln wird mit Wein und Olivenöl ein feines Ragout zubereitet. Dazu stellt man eine besciamella aus Milch, Mehl und Butter her (→Béchameil). Die Béchamelsauce wird mit getrockneten Pilzen, frischen Spänen von tartufo nero (schwarze Trüffel, →Norcia), geriebenem parmigiano und gekochten Makkaroni vermengt. 

tartufo nero

Hieraus entsteht zusammen mit dem ragù eine Füllung, die in der Form angehäuft wird. Darüber kommt nun eine weitere Mürbeteigschicht, sodass eine hochgewölbte, manchmal fast halbkugelförmige geschlossene Pastete entsteht. Die oft mit Teigverzierungen geschmückte Oberfläche wird beim Backen knusprig und goldbraun, die Farce erhält nach dem Abkühlen eine schnittfeste Konsistenz. Die Kombination des gesüßten Pastetenteigs mit der salzigen, aber mild gewürzten Füllung macht den Reiz des Gerichtes aus. Die Verwendung von →maccheroni, die ihren Ursprung eher im südlichen Italien haben, rührt wahrscheinlich von den verwandtschaftlichen Beziehungen des Hauses Este zu neapolitanischem Adel her.

Pasticcio di maccheroni

Die Estensi herrschten schon im frühen 13.Jh. über das fruchtbare Gebiet der heutigen Provinz Ferrara, das sie zu ihrem Gemüsegarten auserkoren hatten.

In →Voghiera z.B., gut 15km entfernt, bauten sie sich eine prächtige delizia, ein Lustschloss, und in dieser Gemeinde wird bis heute eine hervorragende Knoblauchsorte angebaut, der Aglio di Voghiera DOP.