Kurz nach seiner Wahl zum 44. Präsidenten der USA 2009 bat Barack Obama den Koch seines Dienstflugzeugs Air Force One um
Moutarde de Dijon.
In Ermangelung desselben wandte sich der fliegende Leibkoch an die Stadt im Burgund, die umgehend ein Paket mit einer reichhaltigen Auswahl von Senfspezialitäten losschickte.
Dem Ex-Präsidenten kann Geschmack attestiert werden: Im Unterschied zu vielen anderen Senfproduktionen werden für Dijon-Senf die nicht entölten Samen von Brassica juncea, der moutarde brune oder chinoise (deutsch Brauner Senf) verwendet, was die Herstellung zwar komplizierter macht, aber dafür alle Aromen erhält.
Die Palette reicht von der mild-süßlichen, grobkörnigen Sorte Moutarde à l’ancienne bis zur hochfein gemahlenen, höllisch scharfen Variante fine & forte. Erweitert wird das Sortiment durch Zusätze von Estragon und anderen Würzkräutern, grünem Pfeffer, Honig …, die Liste ist wirklich sehr lang. Der neben der Senfsaat zweite wichtige Bestandteil, der namensgebende, zu vinaigre (Weinessig) vergorene mout (Traubenmost), stammt natürlich – zumindest ursprünglich – aus den burgundischen Weinbergen.
Zur Ehrung der Wein- und Senfstadt erhalten Gerichte mit Senfsauce auf vielen Speisekarten die Bezeichnung à la dijonnaise, was allerdings auch auf eine Sauce auf Basis von Weißwein und Zwiebeln hindeuten kann.
Inzwischen hat sich der Name des Senfs aus dem Weinstädtchen zur Sortenbezeichnung für das Produkt im allgemeinen entwickelt, sofern es nach dem tradierten Grundverfahren hergestellt wurde. Häufig wird von Dijon-Senf gesprochen, wenn es allgemein um einen wirklich guten Senf geht.
Schon 1937 wurde durch ein staatliches Dekret Moutarde de Dijon als Sortenbezeichnung definiert, die sich auf die Herstellungsmethoden, nicht aber auf eine geografische Herkunft bezieht. Lediglich die Etikettierung von Senf als Moutarde de Bourgogne ist seit 2008 durch ein →IGP-Siegel geschützt. Bei diesem Burgunder Senf muss der Essig wirklich aus Weinen der Region vergoren sein.
Das französische Wort moutarde geht, ebenso wie das deutsche →Mostrich/Mostert oder das italienische →mostarda, auf das lateinische mustum ardens und dann (alt)französisch moût ardent zurück:
feuriger, brennender Most.
Dieser gute Ruf hat aber auch eine Kehrseite: Manchen französischen Feinschmeckern gilt der Dijon-Senf sogar als Beispiel für den Ausverkauf ihrer Kultur. Die Namen der beiden traditionell größten Hersteller in Dijon, Maille und Amora, liest man zwar immer noch auf den Etiketten der Gläser und Tuben. Seit 1999 jedoch gehören die beiden Häuser zum niederländischen Lebensmittel-Multi Unilever. Und dieser importiert den größten Teil der Senfkörner aus Kanada und dem Osten, auch die Produktion ist 2009 aus der Stadt Dijon ausgelagert worden.
Solche vor allem für Touristen zusammengestellte Senfsortimente sind zumindest geschmackvoller als der übliche Andenken-Kitsch …!
Aber kulinarischer Patriotismus hin oder her – die als Moutarde de Dijon beschrifteten Produkte gehören zu Recht nach wie vor zu den besten Vertretern ihres Genres. Und abgesehen von den geschmacklichen Vorzügen: Wegen der Verwendung von nicht entölten Samen eignet sich dieser Senf besonders gut als Emulgator, wenn beispielsweise in einer →sauce mayonnaise ölige und wässrige Komponenten ihre gegenseitige Abneigung überwinden und sich harmonisch verbinden sollen.
Weitere Senfspezialitäten in meinem Lexikon findest Du über die
Felix Kir, dem langjährigen Bürgermeister von Dijon, verdanken die Stadt und das Burgund die weltweite Bekanntheit eines eigentlich einfachen Apéritifs. Denn die Raffinesse eines →Kir oder eines Kir Royal liegt nicht etwa in der Menge der Zutaten. Neben einem Wein aus der Region kommt nur noch ein Schuss Crème de Cassis de Dijon ins Glas. Dieser Likör aus Schwarzen →Johannisbeeren ist neben den Weinen und dem Senf das dritte kulinarische Aushängeschild von Dijon.
Für diese süß-fruchtige Vesuchung weden schwaze Johannisbeeren zu schnittfestem Gelee verkocht, das mit Crème de Cassis versetzt wird. Kristallzucker verhindert, dass die schiffchenförmigen Pralinen aneinanderkleben.
In eine andere, aber ebenfalls würzige Geschmacksrichtung verführen die Nonnettes de Dijon. Die kleinen runden Pfefferküchlein, zur Familie der pains d’épices zählend, enthalten reichlich Honig und bekommen durch Orangenzesten oder herbe Orangenmarmelade eine frische Note. Ihre Benennung als Nönnchen erhielten sie, weil sie gerne von Frauenklöstern zur Aufbesserung der Klosterkasse verkauft wurden.
Und die weiße Haube aus Zuckerglasur, die sie manchmal erhalten, erinnert an die Kopfbekleidung der frommen Frauen.
Dijon wird im Rahmen des Projektes Cité Internationale de la Gastronomie (→Rungis) im historischen Hôpital général die Bedeutung des Weinbaus für die französische Bewirtungskultur darstellen.
Das Projekt, an dem neben Dijon auch Lyon, Tours und Paris/Rungis beteiligt sind, entstand, nachdem 2010 das repas gastronomique des Français von der UNESCO zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt wurde.