Auf den Weiden in der Bour-gogne nördlich von Lyon (Département Saône-et-Loire) sieht man häufig große, rein-weiße Rinder grasen. Diese Rasse wurde bereits ihres kräftigen Wuchses wegen im Mittelalter als Zugtier im damals vorherrschenden Getreideanbau genutzt. Nach dem Burgunderstädtchen Charolles und dem umgebenden Landstrich, dem Charolais, nannte man die Rasse
Charolaise
(die menschlichen Einwohner haben ein l mehr: les charollais/es).
Aufgrund von Zollbeschränkungen war die Haltung dieser Tiere bis ins 18.Jh. auf die Region begrenzt, ein Austausch mit anderen Rassen des Bos primigenius tauris (Hausrind) fand praktisch nicht statt. Dafür wurden durch gezielte züchterische Auswahl die Qualitäten immer weiter entwickelt. Die Charolaise ist also ein echtes Kind des Ortes und seiner engen Umgebung. Vor allem in den Wintermonaten spielen die Rinder die Hauptrolle bei den Viehmärkten in Charolles, bei denen wie seit jeher gefeilscht wird und besonders stattliche Tiere mit Prämien geschmückt werden.
Heute schätzt man die Rinder vor allem wegen des schmackhaften, zart marmorierten Fleisches, das als Bœuf de Charolles seit 2010 nach französischem Produktschutz AOC-klassifiziert ist. 2014 kam die Anerkennung durch die EU als →AOP hinzu.
Die Rinder müssen zur Schlachtung mindestens 28 Monate alt sein, Kalbfleisch wird also nicht als Bœuf de Charolles angeboten.
Mindestens 200 Tage im Jahr dürfen sich die Tiere auf Mastwiesen (prés d’embouche oder prés d’engraissement) das Fett anfressen, das ihr Fleisch so wohlschmeckend macht. Die Weiden liegen ausschließlich im Charolais. Sie sind durch die landschaftsprägenden Hecken kleinflächig parzelliert und werden nach einem ausgeklügelten Rhythmus beweidet, der den Rindern stets Gräser und Kräuter von bester Qualität garantiert. Selbst das Heu, das sie im winterlichen Stall bekommen, wurde in der Region gemäht.
Und die Kälber dürfen sous la mère (wörtl. unter der Mutter) so lange die Muttermilch genießen, bis sie von selbst zur pflanzlichen Vollkost wechseln.
Ein weit über die Grenzen der Bourgogne bekannter Küchenklassiker, für den man gerne das Fleisch der Charolais-Rinder verwendet, ist das bœuf bourgignon. Hierzu wird es in großen Würfeln zusammen mit Speck, Karotten, Knoblauch und kleinen Zwiebeln angebraten und in Rotwein als ragout geschmort.
Und wer kennt sie nicht, diese berühmten Burgunder-Weine von der Côte de Nuits, von der Côte de Beaune, aus dem Beaujolais und all den anderen weltberühmten Weinbergen!? In dem Gericht verbinden sich also zwei kulinarische Aushängeschilder dieses so genussfreudigen Landstrichs auf allerschönste Weise.
Gegen Ende der nicht zu kurzen Garzeit kommen noch frische Champignons dazu.
Seit zu Beginn des 16.Jhs. die Tomaten aus Mittelamerika den Weg nach Europa gefunden haben, tragen auch sie gerne Geschmack, Saftigkeit und Farbe zum burgundischen Fleischtopf bei. Von kulinarischen Puristen wird das allerdings nicht als traditioneller Bestandteil eines echten Bœuf bourgignon akzeptiert.