Ulis Culinaria

Chantilly

Einer historisch nicht belegten, aber in Frankreich beliebten Legende zufolge soll François Vatel, im 17.Jh. maître d’hôtel (Haushofmeister) im Château de Chantilly (Département Oise, knapp 40km nördlich von Paris), die Möglichkeit entdeckt haben, frische Sahne durch Zugabe von Zucker (oder, für herzhafte Gerichte, Salz) und eifriges Schlagen in eine steife Masse zu verwandeln. 

Crème Chantilly

Schriftlich überlieferte Rezepte aus Italien belegen allerdings, dass diese Methode dort schon im 16.Jh. als neve di latte (Milchschnee) angewandt wurde. Deshalb sehen manche die steif geschlagene Sahne als Bestandteil der umfangreichen kulinarischen Mitgift der Italienerin Caterina de Medici, die nach ihrer Vermählung mit dem Franzosen Henri II zur Reine de France wurde.

Es kursieren noch ein paar weitere Geschichtchen zur Entstehung der Sahnecreme, die aber historisch ziemlich abwegig erscheinen.

Jedenfalls hatten weder Vatel noch sonst irgendwelche ErfinderInnen diese schönen aus Edelstahldraht gebogenen Schneebesen in ihrem kulinarischen Werkzeugkasten, die heute praktisch zur Standardausrüstung nicht nur in der Profi-Küche gehören. Natürlich ganz zu schweigen von elektrischen Geräten.

Stattdessen soll man sich damals mit getrocknetem Gezweig von Ginster, Buchs oder anderen Pflanzen beholfen haben. Hat aber offensichtlich auch gut funktioniert …!

Und da ein solches Reiserbündel zur Herstellung von Sahne- oder Ei-Schnee auch an einen Reiserbesen erinnert, mit dem man z.B. den Gehweg vom Schnee befreit, bekommt die deutsche Bezeichnung Schneebesen  doppelten Sinn.

Das Ergebnis hat ab dem 18.Jh. als

Crème Chantilly

offiziell Eingang in die französischen Wörterbücher gefunden, zu deutsch Schlagsahne.

Dabei wird meistens unterschieden zwischen der echten Crème Chantilly, für die man crème fraîche liquide oder crème fleurette mit mindestens 35% Fett verwendet, und zu der neben dem Zucker (~50g/l ) das frisch aus einer Vanille-Schote geschabte Mark kommt, und der crème fouettée (frz. le fouet = Peitsche/Schneebesen) für die auch fettärmerer Rahm und beliebige Aromen eingesetzt werden können.

Vor allem in der Pâtisserie hat sich die Crème Chantilly als leichtere Alternative zu den schweren Buttercremes durchgesetzt.

Eine Mayonnaise (→Maó) oder eine sauce hollandaise werden zur luftigen Sauce Chantilly, auch mousseline genannt, wenn man ihnen etwas geschlagene Sahne unterhebt.

Das heutige Schloss ist ein modifizierter Nachbau des alten Schlosses, das in der Zeit nach der Revolution von 1789 zerstört worden war. Es beherbergt mit dem →Musée Condée eine der weltweit bedeutendsten privaten Kunstsammlungen.

Übrigens:

Vatel, der sich unter anderem am Hof des Sonnenkönigs Louis XIV einen legendären Ruf als Organisator von üppigen Festgelagen erworben hatte, beging Selbstmord, als er diesen Ruf durch eine verspätete Lieferung von Fisch und Meeresfrüchten für ein Bankett im Schloss von Chantilly beschädigt sah …

Er selbst stand nie persönlich am Herd, sondern war als Haushofmeister (frz. maître d’hôtel) lediglich der Vorgesetzte des Küchenpersonals. Trotzdem findet man, z.B. in einem Kochbuch von →Carême und im Larousse Gastronomique, diverse Rezepte mit dem Zusatz à la Vatel …