Unweit der Adriaküste in der Region Puglia, dem tacco (Absatz) des stivale italiano, des italienischen Stiefels, wird seit der Antike eine große Olivensorte namens
Bella di Cerignola
mit intensiv fruchtigem Geschmack geerntet. Mit italienischen Auswanderern gelangte die ergiebige Olive im 19.Jh. in die USA, wo sie seitdem den dortigen Olivenanbau, vor allem in Kalifornien, dominiert. Aber nirgends erreicht die Sorte die unvergleichliche Qualität der hier geernteten Früchte.
Cerignola liegt in der Provincia di Foggia, die praktisch deckungsgleich ist mit der historischen Region Daunia. Seit 2000 genießen die großen Früchte des Olea europaea als La Bella della Daunia →DOP-Status.
Ein beachtlicher Teil der Produktion erfolgt nach Kriterien biologischer Landwirtschaft in den Olivenhainen von Cerignola und fünf Nachbargemeinden. Auf maximal 420 Bäume pro ha ist die Pflanzdichte begrenzt. Gezielter Baumschnitt lässt eine Ausbeute von höchstens 15t/ha zu. Am 1. Oktober beginnt die Ernte der grünen Oliven. Lässt man sie länger hängen, verfärbt sich die Schale dunkelbraun-violett. Die jetzt vollreifen Früchte sind so prall, dass sie sehr schonend behandelt werden müssen, um ein Aufplatzen zu vermeiden. Deshalb werden die Bäume in der Zeit vor der Ernte auch nicht mehr bewässert.
Obwohl die Nachfrage nach schwarzen Oliven steigt, bilden die grünen immer noch die überwiegende Mehrheit der Ernte. Die Oliven werden unter der Baumkrone in Netzen oder Planen aufgefangen und in flachen Kisten gesammelt, damit sie sich nicht durch ihr eigenes Gewicht zerdrücken. Die handverlesenen und nach Größe sortierten Früchte kommen direkt vom Baum für 8 bis 15 Stunden in ein Laugenbad, um nicht zu oxidieren. Gleichzeitig werden ihnen damit die Bitterstoffe entzogen, die erntefrische Oliven ungenießbar machen. Anschließend reifen sie für 30 bis 60 Tage in einer ausgeklügelten Abfolge von Sole- und Laugebädern, die sich mit Waschgängen abwechseln. Die unreif geernteten Früchte behalten dabei ihr leuchtendes Olivgrün, während die eh schon dunklen reifen Oliven sich zu tiefem, violett schimmerndem Schwarz verfärben.
Abschließend werden sie mit Salzlake in oft dekorativen Glasgefäßen eingelegt und für den Verkauf sterilisiert. In der Regel wird der Stein in der Frucht belassen, da eine vorherige Entnahme Flüssigkeits- und damit Aromaverlust bedeuten würde. Deshalb findet man die Bella auch nicht mit Mandelsplittern, Paprika oder anderem gefüllt, wie man es von anderen Oliven kennt.
Die in der Daunia geerntete Bella di Cerignola gilt ausweislich diverser nationaler und internationaler Auszeichnungen durch Fachjurys als eine der besten Tafeloliven (oliva da mensa), die Ölgewinnung spielt also nur eine kleine Nebenrolle. Entsprechend nennt sich die Vereinigung, die von den Betrieben des DOP-Gebietes 2002 zum Schutz (tutela) sowie zur besseren Vermarktung ihres Produktes gegründet wurde, →Consorzio di tutela oliva da mensa D.O.P. La Bella della Daunia – cultivar Bella di Cerignola.
Selten werden die feinen Oliven in heißen Gerichten verwendet. Frisch aus dem Glas werden sie als aromatische und zudem gesunde Vorspeisenzutat mit Wurst, Schinken und Käse serviert. Oder man kombiniert sie allenfalls in Salaten mit Tomaten, Artischocken und anderen feinen Produkten, die der Süden Italiens zu bieten hat. Beliebt ist auch, die schwarzen Oliven zu entkernen, mit knackigem fior di sale (Salzblüte, vgl. frz. fleur de sel) und eventuell ein paar acciughe (eingelegten Sardellen) leicht zu zerdrücken und auf frisch geröstetem Brot als bruschetta zu genießen.
Und nicht zuletzt schwört so mancher Cocktail-Freund darauf, dass ein Wodka Martini und andere Drinks nur mit der Olive aus Cerignola den richtigen Pfiff erhalten!