O ! Cher poète, je te fais don,
De ma recette : tripes à la mode
Pour cuire de bonne façon
Parfaitement selon le code,
Pieds de bœuf, feuillet,
Les mulettes et le bonnet.
En vue de cette ripaille,
Coupe en morceaux carrés
Dans l’eau claire, bien lavés
Toute cette tripaille,
Carottes, oignons en rouelles,
Poireaux, bouquet garni,
Clous de girofle, céleri.
Alors, ma toute belle,
De la potée en terre,
Tapissée de beurre frais,
Va monter l’odeur des prés.
Avec onction à ce mélange
De produits du cru,
Dispense, de calva, un verre,
Couvre l’édifice de pur jus.
D’un bon sel modérément,
De poivre moulu, abondant,
Assaisonne cette vendange.
Douze heures de cuisson au four
D’un boulanger d’alentour.
Il importe, au bout de ce temps
Que le jus onctueux, doré,
Réduit, odorant, corsé
Baigne ce mets truculent.
Tu serviras cette merveille
Dans des assiettes brûlantes.
Et voici, de ta servante,
La recette sans pareille
Que m’a léguée un mien parent,
Des tripes à la mode de Caen.
In diesen lyrischen Text hat der Dichter Jean Le Hir das Rezept einer Spezialität gegossen, die für die Küche der Normandie so steht wie cidre und calvados für ihre Trinkkultur.
Kutteln aus den verschiedenen Mägen des Wiederkäuers Rind (siehe Zeichnung: Pansen 1, Netzmagen 2, Blättermagen 3, Labmagen 4) werden sorgfältig gesäubert und in kleine Rechtecke geschnitten. In einen feuerfesten, ausgebutterten Keramiktopf, die tripière, (im Gedicht heißt er potée en terre) werden gestückelte Karotten, Zwiebelringe, Lauch und Sellerie gegeben. Darauf kommen die Kutteln und, um dem entstehenden Bratensaft eine schöne Bindung zu verleihen, ein halbierter Kalbsfuß. Zur Würze dienen ein Kräutersträußchen (bouquet garni) und ein paar Gewürznelken (clous de girofle), Salz und Pfeffer.
Ein kulinarisches Wortspiel betreibt Le Hir mit der Wendung cette ripaille. Vom französisch-alpenländischen Château de Ripaille ist überliefert, dass dort Jagdgesellschaften ausgiebige Festessen veranstalteten. Faire ripaille steht im Französischen also für eine ordentliche Schlemmerei. Phonetisch praktisch gleich klingt, drei Zeilen weiter, cette tripaille, was mit dieses Gekröse zu übersetzen wäre.
Die besondere Note erhält das Gericht, indem das Ganze aufgegossen wird mit einer Mischung aus Hühnerbrühe, cidre (dem für die Normandie typischen Apfelwein) und dem bereits erwähnten Apfelbrand, von Le Hir in der umgangssprachlichen Kurzform calva genannt. Gutes Salz kommt mäßig (modérément), frisch gemahlener Pfeffer dafür reichlich (abondant) zum Einsatz. Die tripière, der Tontopf, wird mit einem dünnen Strang Lehm zwischen Gefäß und Deckel hermetisch verschlossen und kommt für einen halben Tag (douze heures) in den Ofen.
Das Gedicht empfiehlt den des nächstbesten Bäckers (un boulanger d’alentour). Während dieser zwölfstündigen Garzeit verbinden und konzentrieren sich die verschiedenen Geschmackskomponenten in der sich bildenden sämigen Sauce. Meist werden in den sehr heißen Tellern (assiettes brûlantes) neben den Kutteln allenfalls noch die Karotten serviert, das übrige Gemüse hat sämtlichen Geschmack abgegeben. Auch der Kalbsfuß hat mit dem Gelieren des Suds seine Schuldigkeit getan.
Das Rezept soll bereits im 14.Jh. von Sidoine Benoît, dem für die Küche zuständigen Bruder eines ortsansässigen Mönchsordens erfunden worden sein. Aber schon Guillaume le Conquérant (Wilhelm der Eroberer), von dessen Taten im 11.Jh. der berühmte Bildteppich des Calvadosstädtchens →Bayeux erzählt, hat angeblich die Kutteln in der beschriebenen Zubereitung genossen.
In deutschen Küchen haben sich Kutteln seit Jahrzehnten etwas rar gemacht – leider! Denn viele Innereien haben ihr schlechtes Image durch unsorgfältige Zubereitung erhalten. Vor allem die Reinigung des Gekröses ist schon etwas aufwändig. Auf Vorbestellung nimmt einem ein guter Metzger diese Arbeit aber sicher ab.
Etliche weitere Beispiele für die Verarbeitung des Gedärms von Wiederkäuern findest Du mit Hilfe der Suchfunktion (rechts oben), Suchwort
Kutteln …
Über die Wahrung der langen Kutteltradition wacht seit 1952 eine Bruderschaft mit dem Namen →Confrérie de Gastronomie Normande La Tripière d’Or. Als Reminiszenz an Wilhelm den Eroberer hat sich der Orden dessen Wappen mit dem Wahlspruch Diex aie! (altfrz.: Gott hilf!) zu eigen gemacht und durch die Abbildung eines Kutteltopfes ergänzt. Jedes Jahr veranstaltet die honorige Gesellschaft einen Wettbewerb, bei dem sich professionelle Metzger und Köche in der Zubereitung der tripes à la mode messen, um den Pokal in Form einer vergoldeten tripière zu gewinnen.
Zu Ehren des Gründers der Confrérie, des oben zitierten Poeten, wurde 2003 in Caen die Rue Jean Le Hir eingeweiht