Auguste Winkler war im 19.Jh. Wirtin in Grattersdorf im Bayrischen Wald. Dort feierte man schon seit den 1830er Jahren das Büchelsteiner Fest, benannt nach dem in der Nähe gelegenen Hausberg, dem 832m hohen Büchelstein, an dessen Fuß sich die Festwiese befindet. Auguste Winkler komponierte einen Eintopf, der sich bald als Traditionsgericht für das Fest etablierte und, mit typisch bayrischer Umwandlung des ü zum i, bis heute als Pichelsteiner Eintopf überregionale Beliebtheit genießt. Somit handelt es sich hier nicht um ein nach einer Ortschaft, sondern nach einem Berg benanntes Gericht! Und das Fest mit dem berühmten Eintopf findet nach wie vor jedes Jahr statt.
Fleisch, in der Regel von Schwein, Rind und Hammel, wird in mundgerechten Würfeln mit reichlich Zwiebeln angebraten, und Kartoffeln sowie kleingeschnittenes Gemüse wie Karotten, Weißkohl und Lauch kommen dazu. Mit Fleischbrühe angegossen köchelt das Ganze, bis eine recht füllige, dicke Suppe in die Teller geschöpft werden kann. Manchmal kommen noch Rindermark, Knoblauch, Tomaten(mark) oder Fleisch- bzw. Markklößchen hinzu.
Da das Rezept im Prinzip recht einfach ist und, wie alle Eintöpfe, nicht an eine abgezählte Gästeschar gebunden ist, wird es gerne zu kleinen und großen Festen zubereitet. Und es muss nichts à la minute fertig sein wie z.B. ein Steak, sodass auch verspätete Gäste noch willkommen sind.
Einen guten Pichelsteiner unterscheidet allerdings von einem weniger guten, dass die Fleisch- und Gemüsesorten ihrer Garzeit entsprechend nacheinander in den Topf kommen und nicht am Ende bis zur optischen und geschmacklichen Unkenntlichkeit verkocht sind.
Das ist leider manchmal in Großküchen und vor allem bei den vielen Dosenvarianten zu beklagen. Bei derartigen Fertiggerichten muss man auch meistens den Fleischanteil mühsam suchen.
Als Faustregel: Wenn sich die Kartoffeln, das Gemüse und das Fleisch zu je rund einem Drittel den Platz im Topf teilen, ist schon eine gute Grundlage gegeben.
Wenige Kilometer nördlich des Lallinger Winkels, der vom Büchelberg überwacht wird, liegt das Städtchen Regen. Dort feiert man seit den 1870er Jahren ebenfalls ein Pichelsteiner-Fest und beansprucht den Eintopf samt seiner Erfinderin Auguste Winkler für sich. Pichel sei die alte regionale Bezeichnung des großen Koch-Kessels, aus dem man die Besucher des jährlichen Kirchweihfestes verköstigt habe …
Solche Erklärungen weist man natürlich in Grattersdorf als klägliche Versuche zurück!
(*) Zum Ausgleich: das kulinarische Netzwerk →Genussregion Niederbayern gibt in seinem Rezept die gleichen Zutaten an. Sie werden allerdings schichtweise in den Topf eingelegt, mit Brühe angegossen und schön gemächlich unter dem Deckel geschmort.
Die Bayerische Staatszeitung stellte im Juni 2023 die beiden Herkunfts-Thesen gegenüber, tendierte aber schlussendlich eher zu Grattersdorf am Büchelstein.
Das folgende Rezept übernahm die unabhängige Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Kommunales und Kultur allerdings von Günther Prinz, der seit über 20 Jahren für die Zubereitung des Pichelsteiner Eintopfs beim Regener Fest verantwortlich zeichnet (*).
Zutaten für vier Personen:
Zwiebeln mit etwas Fett in einem Topf glasig andünsten. Rindergulasch dazugeben und etwas mit anschwitzen, mit etwa einen Liter Fleischbrühe aufgießen und rund 40 Minuten bei schwacher Hitze köcheln lassen. Als nächstes das Schweinegulasch und Kalbsgulasch dazugeben und weitere 40 Minuten köcheln lassen. Dann kommen die Kartoffeln auf das Fleisch für etwa 10 Minuten. Karotten, Lauch, Sellerie dazugeben und weitere 10 Minuten köcheln lassen. Zum Schluss wird mit Salz, Pfeffer und Paprika gewürzt. „Der Pichelsteiner Eintopf sollte leicht sämig sein,“ betont Festkoch Günther Prinz. „Als letztes die gehackte Petersilie unterrühren und servieren.“
Erich Kästner hat den streichholzgroßen Helden Mäxchen Pichelsteiner aus seinem Kinderbuch Der kleine Mann (1963) schließlich nur deshalb so getauft, weil dessen Eltern eben aus einem Ort namens Pichelstein stammten. Also muss es das Dorf ja wohl auch geben …
Und es gibt wissenschaftliche Hinweise auf eine prähistorische Siedlung (wahrscheinlich Höhlen!), die von ihren Bewohnern Pichelstein genannt wurde. Jedenfalls hat der in München lebende italienische Zeichner Riccardo Rinaldi in einer Comicserie das abenteuerliche Leben einer steinzeitlichen Familie namens Die Pichelsteiner sehr detailliert rekonstruiert.
Außer dem Fest und einer schönen Aussicht bietet der Büchelberg eine Rampe, auf der man mit dem Gleitschirm direkt vom Gipfelkreuz aus seine Höhenflüge starten kann.