Als europäische Hauptstadt (gemeinsam mit →Strasbourg) verbinden wir u.a. mit dem Namen der belgischen Metropole eine Flut von Bestimmungen, die unser tägliches Leben regeln sollen, oft auch unsere Ernährungsgewohnheiten. Hier soll nicht die Rede sein von Krümmungsgraden bei Bananen, vorgeschriebener Mindestdicke von Salatgurken und ähnlichem (zum Teil bereits revidiertem) Nonsens, der im Übrigen meist nicht, wie oft landläufig behauptet, von Schreibtischtätern in der europäischen Verwaltung erfunden wurde. sondern z.B. aus verpackungstechnischen Gründen auf den Wünschen von Großproduzenten und Vermarktern solcher Agrarerzeugnisse beruhte.
Allerdings von großem Nutzen für den Verbraucher ist ein dreistufiges System der →Produktzertifizierung, das in einzelnen Ländern Europas vor allem im Weinfach schon Vorläufer hat, nun aber nach und nach für ganz Europa vereinheitlicht und somit übersichtlich gestaltet wird. Die hierfür zuständige Europäische Kommission hat ihren Sitz in Brüssel.
Zahlreiche in diesem Lexikon erwähnte Lebensmittelprodukte tragen das Siegel für eine der drei Zertifizierungen g.U., g.g.A. oder g.t.S. bzw. das entsprechende landessprachliche Kürzel. Deshalb habe ich das System der Produktzertifizierung unter obigem Link etwas verständlicher gemacht
Im dreisprachigen Belgien (Nederlands, Français, Deutsch) trifft sich auch küchensprachlich einiges. Was auf französisch endives genannt wird, kennen die Flamen als Witloof (weißes Blatt). Wir Deutschen essen Cichorium intybus var. foliosum als Chicoree (oder tranken den aus der Wurzelzichorie hergestellten Kaffeeersatz Muckefuck), Rheinländer und Norddeutsche kennen das Kolbengemüse aber auch als Brüsseler Endivie. Zumindest der weiße, essbare Blätterkolben über der rübenartigen Wurzel wird in Nordfrankreich und in der Wallonie als chicon bezeichnet.
Im flämisch-belgischen Zentrum des Chicoree-Anbaus, dem rund 30km nordöstlich von Brüssel gelegenen Kampenhout, kann man sich zu Geschichte und wirtschaftlicher Bedeutung des delikaten Gemüses im Witloof-Museum informieren. Unter anderem erfährt man dort, dass es ein belgischer Gärtner war, der im 19.Jh. estmals den kulinarischen Wert der Triebe entdeckte, die aus in Kellern gelagerten Zichorienwurzeln wuchsen und denen wegen der Dunkelheit das Chlorophyll und unerwünschte Bitterstoffe fehlten. So sind beide Bezeichnungen nachvollziehbar, Chicoree, von Zichorie abgeleitet, und Witloof für das nicht ausgebildete Blattgrün.
Der in Deutschland als Endivie bekannte krausblättrige grüne Salat heißt dagegen im Französischen chicorée.
Den kleinköpfigen Rosenkohl (Brassica oleracea var. gemmifera) wiederum genießen Franzosen als Chou de Bruxelles. In englischsprachigen Küchen werden die runden Kohlsprossen als Brussels sprouts zubereitet, und in alten deutschen Kochbüchern findet man Rosenkohl manchmal als Brüsseler Kohl. Diese Bezeichnungen rühren wohl daher, dass der Rosenkohl, nachdem er im Mittelalter den Weg aus dem Mittelmeerraum in den Norden gefunden hatte, zunächst auf den Feldern um Brüssel in nennenswertem Umfang angebaut wurde.
Und beides trifft sich, wenn ein Gericht von Rosenkohl und Chicoree begleitet wird und dann auf Speisekarten die Bezeichnung à la bruxelloise trägt; hierbei ist dann meist noch, der flämischen Braukunst sei Dank, eine Sauce auf Bierbasis mit im Spiel, die sauce à la flamande genannt wird.
Was den Franzosen das Poulet de Bresse als nationale hühnerzüchterische Errungenschaft bedeutet, ist für Belgier der Coucou de →Malines bzw. flämisch der Mechelse Koekoek . Das graumelierte Gefieder des Geflügels erinnert an den Kuckuck. Die ausgewachsenen Exemplare bietet der Geflügelhändler als Poularde de Bruxelles an.
Um bei all dem spachlichen Wirrwar locker zu bleiben: Gaufres de Bruxelles sind Waffeln, denen viel im Teig mitgebackener Eischnee jegliche verkrampfte Steifheit nimmt. Die Waffeln bekommt man fast an jeder Straßenecke als süßen Snack auf die Hand, verziert mit heißer Schokolade, Sahne und Früchten.
Eine über Belgien hinaus bekannte Mahlzeit sind die moules (et) frites, eine Portion in Gemüse-Zitronen-Sud gegarter Miesmuscheln (frz. moules) mit Pommes frites. Wird dieses Gericht komplettiert mit einem Glas Bier, steht es als Complet bruxellois auf der Speisekarte.
Bekanntlich reklamieren die Belgier die traditionell zweimal in Rinderfett schwimmend ausgebackenen Kartoffelstifte als eigene Erfindung, die bereits in belgischer Küchenliteratur des 17.Jhs. erwähnt werde.