Ulis Culinaria

Bayonne

Eine Charcuteriespezialität von wahrhaft internationalem Rang, →IGP seit 1998, wird nach dem kleinen französischen Baskenstädtchen benannt: 

Jambon de Bayonne .

Durch seine tiefrote Farbe und die feste, aber gleichzeitig cremige Konsistenz zeichnet sich der ibaïona, wie der Bayonne-Schinken auf Baskisch genannt wird, aus. Das atlantische Klima sowie das wiederholte Einreiben mit Salz, das aus den Mineralquellen in →Salies-de-Béarn rund 50km weiter östlich stammen muss, verleihen ihm zudem eine besondere Note. Direkt nach dem Schlachten der Schweine werden die beiden Hinterkeulen ausgiebig massiert, um das Blut möglichst vollständig aus dem Fleisch zu pressen. Ein bis zwei Wochen baden die Keulen in Salzlake, dann trocknen sie zwei Monate an der vom Atlantik geprägten Seeluft, was nur im Winter möglich ist, da das Fleisch im warmen Sommer trotz der Pökelung verderben könnte.

Jambon de Bayonne

Schließlich reifen sie mindestens ein weiteres halbes Jahr in speziellen Räumen mit geregelter Luftzufuhr, zum Schutz vor Insekten und anderen schädlichen Einflüssen oft in luftdurchlässiges Gewebe gehüllt. Die nicht von Schwarte bedeckte Partie des Schinkens wird mit der panne bestrichen, einer Mischung aus Schmalz und Weizen- bzw. Reismehl, die ein ungleichmäßiges Trocknen verhindert (vergleichbar mit dem stucco, das die italienischen Kollegen z.B. in →Sauris verwenden). Manche Hersteller würzen ihren Schinken nach dem Salzbad zusätzlich mit dem piment d‘Espelette aus der unmittelbaren Nachbarschaft, was auch die Haltbarkeit erhöht. Die fertigen Schinken bleiben meist am Knochen, werden aber auch désossés (entbeint, siehe Bild oben) verkauft, was dem Genießer das Tranchieren erleichtert.

Die häufigste Handelsform ist inzwischen die maschinell vorgeschnittene und eingeschweißte Portion. Auf jeden Fall kommen die Zartheit des Fleisches und die Reife-Aromen nur zur Geltung, wenn es hauchdünn geschnitten wird. 

Das →Consortium du Jambon de Bayonne (Website auch auf Deutsch!) wacht über die Einhaltung strenger Regeln von der Fütterung der Schweine (zu mindestens 60% mit Getreide und Erbsen) bis zum Ende der Schinken-Reifung und vergibt neben dem IGP-Button ein kleeblatt-ähnliches Echtheitssiegel, meist als Brandstempel auf die Schwarte gedrückt. Wegen der engen Verbindung zu den Salzsiedern in Salies-de Béarn (s.o.) ist das Symbol auch in deren Emblem enthalten.

Die Tiere gehören zur weit gefassten Gruppe der porcs du Sud-Ouest, die Produktion des Bayonner Schinkens mit IGP ist dagegen von der Pökelung bis zum Verkauf auf das fest definierte Gebiet des Bassin de l’Adour begrenzt. Den Namen der Stadt trägt er, weil diese seit jeher Vermarktungszentrum und ihr Hafen Ausgangsort für den Export war.
Schon 1534 erschuf der große Renaissance-Dichter François Rabelais eine kulinarische deutsch-französische Städtepartnerschaft: Seinen genussfreudigen Roman-Riesen Gargantua läßt er erzählen, sein Vater Grandgousier habe für gewöhnlich immer einen guten Vorrat an Mainzer und Bayonner Schinken da (→Mainz).
Der Säugling Gargantua wird gefüttert (Illustration von Grandville)
Wenn für ein Gericht Schinken verwendet wird, muss dieser natürlich nicht immer aus dem Baskenstädtchen stammen. Trotzdem wird in französischen Restaurants oft generell mit dem Zusatz à la bayonnaise angezeigt, dass bei dem betreffenden Gericht Schinken eine wichtige Rolle spielt. 

Eine weitere lokale Spezialität geht auf portugiesische Juden zurück, die Ende des 15.Jhs. vor der Inquisition hierher flohen und die erst kurz zuvor aus der Neuen Welt importierten Kakaobohnen mitbrachten. Vor allem aber verstanden sie sich auf die Kunst, hieraus Schokolade herzustellen! Noch heute gibt es sieben Produzenten der Chocolat de Bayonne, die unter Kennern wegen des ausgewogenen Kakaogehaltes geschätzt wird und vor allem als heißes Getränk beliebt ist. Der Piment aus →Espelette gibt manchem Schokoladenhäppchen pikanten Pfiff.

Chocolat de Bayonne

Bei der Benennung eines absoluten Grundsteins der Küchenkunst streitet sich Bayonne mit einer spanischen Gemeinde um die Urheberrechte. Die bayonnais sind davon überzeugt, dass die Sauce Mayonnaise als Bayonnaise in ihrer Stadt geboren und mit kleinem Sprachfehler getauft wurde. Dem widersprechen die Bewohner der Hafenstadt →Maó auf der Baleareninsel Menorca, die die Öl-Eigelb-Zitrone-Emulsion als ihre Erfindung betrachten.